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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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wie ihn. Nun ja, der Junge, ich habe das nur zufällig gehört, sollte ihn für den nächsten Tag hierher bitten.»
    «Und er kam?»
    «Pünktlich mit dem Glockenschlag. Es war eine gute Unterredung. Kein lautes Wort, mein Herr war immer für schnelle Versöhnung. Der Dichter ging schon nach ganz kurzer Zeit. Die Herren hatten allerdings noch von der neuen Lieferung Rum von St. Thomas probiert, und als er das Kontor verließ, trug er ein Geschenk meines Herrn in der Hand.»
    «Was war es?» Rosina ahnte die Antwort und platzte fast vor Ungeduld.
    Pagerian rieb sich die Hände und kicherte verschämt.
    «Nun, Ihr seid noch ein wenig jung für diese Dinge, Mylau, aber ich will es Euch erklären. Es war ein gläserner Napf. Ich sah ihn ganz zufällig, als der Herr ihn am Vormittag jenes Tages in seinen Kontorschrank stellte und so vor meinen Augen verbarg. Er wollte seinen Freund, denn er muss wohl doch ein Freund gewesen sein, nicht decouvrieren. Es war eines dieser Mittel, das uns hilft, wenn, nun ja … wenn die Manneskraft, Ihr versteht, wenn sie ein wenig zu wünschen übriglässt. Nicht dass mein Herr so etwas je benötigt hätte, aber er wusste von diesen Dingen, weil er eben ein hilfreicher Mensch war und sich immer – nun ja.»
    Als Rosina ihren Bericht hier endete, war ihr Kopf mindestens so rot wie Pagerians bei seiner Erklärung der Probleme gewisser männlicher Kräfte.
    «Die Hexensalbe», sagte Claes tonlos. «Marburger hat sie ihm gegeben?»
    Rosina nickte. «Es kann nur die Hexensalbe gewesen sein. Der gläserne Napf, den ich in seiner Kammer im Pesthof gefunden habe. Ich hatte noch keine Gelegenheit, Euch zu berichten, aber Matti und Lies sind ganz sicher, dass Hexensalbe darin war. Sogar von der wirksamsten Sorte, sagt Matti.»
    «Jetzt verstehe ich gar nichts mehr», Claes rieb sich unwillig die Stirn. «Dann haben wir uns geirrt. Die Wirkung der Salbe war gar keine böse Absicht, sondern ganz im Gegenteil eine Hilfe unter Männern …»
    «Aber nein, versteht Ihr denn nicht, was sie
tatsächlich
bewirken sollte?»
    «Nun sag es uns, Rosina», rief Anne. «Wir verstehen gar nichts.»
    «Also noch einmal von vorn», sagte Claes. «Worum haben sie sich gestritten, und wozu sollte die Hexensalbe dienen?»
    «Es ist ganz klar», erklärte Rosina. «Mir fiel es aber auch erst ein, als ich vorhin über den Gänsemarkt ging. Monsieur Ackermann, der Prinzipal des neuen Theaters, trat gerade aus dem Gang zum Opernhof. Theater, versteht Ihr? Monsieur Billkamp sprach in dem Streit von etwas, das er schreiben wollte. Er meinte natürlich das Stück, das er uns versprochen hatte. In seinem Brief an Jean stand doch, es handele von einer wahren Begebenheit, die zwar lange zurückliege, aber dennoch großes Aufsehen erregen werde. In Hamburg und in Altona.»
    «Altona», flüsterte Anne aufgeregt. «Der Kapitän lebte in Altona.»
    Aber niemand hörte ihr zu.
    «In seinem Stück drehte es sich ganz bestimmt um etwas, das mit Marburger zu tun hatte, irgendetwas, das er geheim halten wollte, vielleicht musste. Ein Verbrechen, eine Schande, was weiß ich?»
    «Aber warum hat er es dann Marburger erzählt?» Claes konnte sich nicht vorstellen, dass einer, der einen Skandal anzetteln will, sein Opfer vorher warnt.
    «Ich weiß es nicht, aber ich glaube, ich weiß, warum der ihm die Salbe gegeben hat. Er muss gewusst haben, welche seltsamen Wirkungen sie hat. Und tatsächlich haben alle geglaubt, Billkamps Geist sei verwirrt. Und so einer», schloss sie triumphierend, «kann schreiben und sagen, was er will. Niemand wird ihm glauben.»
    Claes griff nach der Karaffe, aber sie war leer.
    «Blohm», brüllte er, «bring uns noch Wein. Vielleicht hilft der mir, dieses Wirrwarr zu verstehen», fügte er stöhnend hinzu. «Also: Marburger und Billkamp hatten ein gemeinsames Geheimnis. Offenbar ein ganz übles. Billkamp wollte es mit seinem Theaterstück bekannt machen. Warum? Er hätte es doch einfach allen erzählen können?»
    Rosina zuckte mit den Schultern und dachte an ihren Prinzipal. Jean hätte es wahrscheinlich genauso gemacht, nichts ging ihm über einen deftigen dramatischen Auftritt.
    «Ein Stück auf dem Theater», sagte sie dann, «macht größeren Skandal. Und vielleicht wollte er auf diese Weise endlich berühmt werden.»
    «Eine verrückte Idee.»
    «Verrückt, mon ami», rief Anne, die sich überhaupt nicht mehr vorstellen konnte, dass sie sich jemals in Hamburg gelangweilt hatte, «aber perfekt. Alle

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