Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
sicher gleich erfahren.»
    «Ganz sicher. Und Anne wird sich freuen, Euch zu sehen.»
    Anne freute sich sogar sehr, und sie erlaubte Claes erst, mit Rosina zu reden, nachdem die sich in Annes Kabinett erfrischt und umgekleidet hatte. Ein luftiges Gartenkleid von Anne, aus leichtem, mit grünen Ranken und zarten Heckenrosen bedrucktem Kattun, verwandelte Sven Mylau wieder in Rosina. Es war zu lang, aber es stand ihr wunderbar. Das fand zumindest Christian.
    Während Elsbeth Petersiliensuppe servierte und Blohm Platten mit geräucherten Forellenfilets, weißem Käse aus den Marschen, salzigem, mit Kräutern gebackenem Dinkelbrot und eine große Schale mit Erdbeeren und Pfirsichen ins Gartenzimmer brachte, konnte Rosina ihre Neuigkeiten berichten. Anne war mindestens so neugierig wie ihr Mann und ihr Stiefsohn.
    Rosina erzählte schnell von ihrem Besuch in der Zuckersiederei und ihrer Überzeugung, dass es mit einigem Geschick wohl möglich sei, eine Zuckerhutform unbemerkt aus dem Haus zu bringen, besonders eine der kleineren, die man ja auch auf der Bastion bei Marburger gefunden habe.
    «Die Arbeit in der Siederei», fuhr sie fort, «beginnt schon am Morgen um zwei. Aber einige der Knechte und Jungen kommen stets später, weil sie am Nachmittag die Formen und die Schürzen waschen. Es sind an jedem Tag andere, für einen von ihnen wäre es sicher möglich gewesen, bei Sonnenaufgang auf der Bastion zu sein. Die Meisterknechte würden bemerken, wenn einer viel später kommt, aber es ist dort eng, mehr als dreißig Männer und Jungen drängen sich an den Siedepfannen und im ganzen Haus bei den verschiedenen Arbeitsgängen. Es ist gewiss leicht, zu behaupten, man sei auf einem der anderen Böden oder im Lager aufgehalten worden.»
    Und sicher sei es ganz besonders leicht, fügte Claes hinzu, wenn alle den Nachzügler deckten. Also könne der Mord an Marburger eine gemeinsame Rache gewesen sein, vielleicht sogar ein Komplott mit Oswald. Der sei bei den anderen Knechten sehr beliebt gewesen.
    «Und auch wenn Marburgers Tod mit den Unruhen zusammenhängt, die seit Wochen unter den Männern in allen Siedereien gären, wenn alle oder nur einige diesen Mord geplant und einen ausgewählt haben, ihn auszuführen …»
    «Aber wie haben sie ihn um diese Stunde auf die Bastion gelockt?», fragte Rosina, der seine Gedankenspiele viel zu theoretisch waren. Claes, der sich sehr wohl vorstellen konnte, wer und was einen Mann mitten in der Nacht an einen einsamen, idyllischen Ort locken konnte, schwieg.
    «Warum überhaupt so umständlich», gab Anne zu bedenken und griff nach der Karaffe, um sich und Rosina Wein nachzuschenken. «Wenn sie ihn wirklich töten wollten, weil er ein so fürchterlicher Patron war, wie man hört, wäre es nicht einfacher gewesen, ein Unglück in der Siederei zu arrangieren? Das ist doch ein gefährlicher Ort. Wäre das möglich, Rosina?»
    «Ganz bestimmt. Die Treppen sind steil, alles ist klebrig, und es ist leicht, auszurutschen. Die Siedebottiche sind riesengroß, und die kochende Masse dampft und brodelt beängstigend. Sicher kann man dort eine Möglichkeit finden.»
    «Es ist doch auch ganz leicht», phantasierte Anne mit sichtlichem Behagen weiter, «einen Toten aus den Luken in ein Boot abzuseilen und verschwinden zu lassen, in den Fleeten oder gar in der Elbe. Dann findet niemand mehr heraus, wer es getan hat. Oder in einem Zuckerfass?»
    «Nein, Anne, dazu war Marburger wohl zu groß und zu dick.»
    Rosina amüsierte sich über Annes Eifer, und das Vergnügen, das Claes Herrmanns’ Frau an diesem unfeinen Thema hatte, nahm ihr die letzte Scheu.
    «Dann eben in die Elbe», sagte Anne, nickte und steckte sich ein großes sonnengelbes Pfirsichstück in den Mund. «Die ist doch breit und tief genug für jeden.»
    «Ganz bestimmt.»
    «Ich glaube», sagte nun Christian, der bisher schweigend zugehört hatte, «dass der, der ihn erschlagen hat, gar nicht wollte, dass der Tote verschwindet. Warum sonst die Farce mit der Tonform? Die kann er doch nur inszeniert haben, weil er unbedingt wollte, dass man Marburger findet und denkt, er sei mit dieser Zuckerhutform erschlagen worden. Mir scheint, da legt einer Spuren und wartet, ob wir klug genug sind, sie zu lesen und zu verstehen.»
    Alle schwiegen. Nun waren sie wieder dort, wo sie am Morgen von Marburgers Tod begonnen hatten.
    «Das Problem werden wir sicher noch lösen, wenn wir mehr wissen.» Rosina liebte es nicht, zu lange bei scheinbar Unlösbarem

Weitere Kostenlose Bücher