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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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wären ins Theater gelaufen. Ich auch. Du etwa nicht?»
    Claes brummte etwas Unverständliches, dann stützte er seufzend den Kopf in die Hände.
    «Das hilft uns aber immer noch nicht bei der Frage, wer Marburger und Stedemühlen getötet hat.»
    «Und warum ausgerechnet ich den einen gefunden und mit dem anderen kurz vor seinem Tod lautstark gestritten habe», fügte Christian beklommen hinzu. «Ich kann nur schwer glauben, dass das Zufall war.»
    «Merde», sagte Anne.
    Damit waren alle einverstanden.
    «Christian, versteht mich nicht falsch, ich glaube nicht, dass Ihr mit diesen Toden zu tun habt, aber sicher wird Wagner Euch danach fragen müssen: Wo seid Ihr gewesen, nachdem Ihr den Stedemühlen’schen Garten verlassen habt?»
    Christian nickte. Natürlich nahm er Rosina diese Frage nicht übel. Sie wollte es wissen, aber sie wollte ihn auch auf die Fragen des Weddemeisters vorbereiten.
    «Ich war so zornig», begann er, «ich habe gar nicht über meinen Weg nachgedacht, ich galoppierte mir einfach die Hitze aus dem Leib. Es war ja tiefe Nacht, und die Hamburger Tore waren längst verschlossen, so ritt ich über das Vorland und an der Sternschanze vorbei nach Eppendorf. Ich war viel zu unruhig, um schlafen zu gehen oder auch nur irgendwo herumzusitzen und zu grübeln, also überquerte ich die Alster und ritt auf dem Uferweg immer weiter. Wohl bis irgendwo hinter Wellingsbüttel, genau weiß ich das aber nicht mehr, diese kleinen Weiler erscheinen mir in der Nacht alle gleich. Dort ließ ich mein Pferd verschnaufen, es war schweißnass, deshalb rieb ich es mit Heu ab, das da auf der Wiese zum Trocknen lag. Dann ließ ich mich einfach ins Gras fallen und starrte in die Sterne. Vielleicht schlief ich sogar für ein paar Minuten ein, ich weiß auch das nicht genau, jedenfalls war es längst hell, als ich hierher zurückkehrte.»
    «Wann wird es jetzt hell?», fragte Rosina. «Um fünf? Und hat Euch irgendjemand gesehen?»
    Christian schüttelte unglücklich den Kopf. Er begriff, dass sein nächtlicher Ritt alles andere als ein Beweis für seine Unschuld war. «Als ich den Leinpfad an der Alster hochritt, war es noch dunkel, wer sollte da ein Boot treideln oder in die Dörfer an der Oberalster unterwegs sein? Zurück folgte ich nicht dem Pfad, sondern ritt über die östlichen Wiesen um Winterhude und dann zurück über die Eppendorfer Furt auf den mittleren Weg. Da überholten sich zwei kleine Fuhrwerke, mehr nicht. Es war ja noch sehr früh. Als ich durch die Furt ritt, kam von Norden zwar ein Alsterkahn, ich weiß nicht, ob der Mann an der Stake mich bemerkt hat, aber angesehen hat er mich sicher nicht. In dem Boot stand eine Kuh, die er wohl zum Schlachthaus bringen wollte, jedenfalls war das Tier sehr unruhig, und er hatte keine Augen für frühe Reiter.»
    «Und Ihr wart erst kurz, bevor Euer Vater Euch auf der Terrasse traf, zurück?»
    «Vielleicht eine Viertelstunde.»
    Blohm brachte den Wein, füllte ungewöhnlich umständlich die Gläser und rieb sich dann verlegen die roten Hände.
    «Was ist los, Blohm?», fragte Claes.
    «Die Tür war offen», sagte der Alte, «man hört draußen ein bisschen, aber nur Elsbeth und ich, und wir sind – ich wollte nur sagen, der Zuckerbäcker hat immer viel für die Sklavenkasse gegeben. Das hat Mamsellken Rosina doch vorhin auch gesagt. Alle wissen das und denken, er hat gespendet, weil er früher selbst zur See gefahren ist und erst, als sein Vetter von einer Seereise nicht zurückkam, die Siederei geerbt hat. Aber komisch ist das doch. Und Ihr, Herr Claes, habt gesagt, da war mal vor Jahren was mit dem Freikauf. Das wollte ich nur sagen.»
    «Blohm, mein Alter», rief Claes plötzlich, sprang auf und drückte dem erschrockenen Diener einen Kuss auf die Stirn, «gelobt seien deine guten Ohren und unsere offene Tür.»
    Blohm, der seinem Herrn niemals näher gekommen war als eine Tellerbreite, flüchtete in die Küche, wo er Elsbeth berichtete, der Herr habe heute ausnahmsweise zu viel getrunken, und gewiss verstärke das Wetter die Wirkung des Weins.
    Es war nun schon fast dunkel, und Rosinas tapferer Entschluss, eilends nach Altona zurückzukehren, stieß auf heftigen Protest. Man müsse noch so viel besprechen, mahnte Anne, und genau planen, was morgen am dringlichsten und zuerst zu tun sei. Der Weg sei zu weit, sagte Claes, und es sei für niemanden, aber besonders für eine junge Frau nicht mehr die Zeit, allein über das Vorland zu gehen. Auf sein Angebot,

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