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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Rosina mit dem Zweispänner nach Altona zu bringen, erntete Christian nur einen strengen Blick seines Vaters und schwieg.
    Um die Komödianten, die gewiss schon in großer Sorge waren, zu beruhigen, wurde Benni, der Pferdejunge, in die Elbstraße geschickt. Helena, versicherte ihm Rosina, werde einen Schlafplatz für ihn finden, damit er nicht in dieser ungemütlichen Nacht zurückreiten müsse.
    Dennoch flüchteten an diesem Abend viele der Kaninchen, Feldmäuse, Hasen und selbst ein einsamer Dachs, die auf dem freien Feld des Hamburger Bergs wohnten, vor dem in rasender Jagd unter dem dunklen, wetterleuchtenden Himmel galoppierenden Boten. Benni hatte bei dem Wettnehmer an der Trostbrücke darauf gesetzt, dass der Komet ein großes Feuer ankündige. Und so allein auf dem ungeschützten Land vor den Wällen war es nicht unwahrscheinlich, dass dieses Feuer zuerst ihn traf.

13. Kapitel
    Dienstag, den 17. Junius,
mittags
    Die junge Frau, die gerade aus dem Haus trat, war wie ihre Begleiterin ganz in Schwarz gekleidet. Sie blickte den Mann neugierig an und beobachtete, wie er sein Pferd an den Eisenring neben dem Portal band. Sie nickte ihm zu, vielleicht hätte sie ihn sogar begrüßt, wenn ihre Begleiterin, eine ältere, äußerst honorig wirkende Dame, nicht energisch ihren Arm genommen und sie mit strengem Flüstern auf den Weg unter den Bäumen entlang der Palmaille gezogen hätte.
    Claes klopfte den Hals des unruhig schnaubenden Pferdes und sah den beiden nach. In den Augen des Mädchens hatte ein Lächeln des Wiedererkennens aufgeleuchtet, und auch sie schien ihm nicht fremd, obwohl er sie nie zuvor gesehen hatte. Das konnte nur Lucia gewesen sein. Offenbar glich er seinem Sohn tatsächlich mehr, als er selbst es sah. Und sie? Sie ähnelte Gunda nur wenig, sie wirkte größer und dunkler, aber sicher war es dieser Zug um den lächelnden Mund, die Haltung des Kopfes, irgendetwas, das ihn doch an Gunda erinnerte.
    Wieder führte ihn das Mädchen bereitwillig über die Treppe hinauf in den kleinen Salon, und kurz darauf trat Gunda, nun auf einen Stock gestützt, ein. «Nimm Platz», sagte sie, ohne ihn zu begrüßen, und wie vorher bot sie ihm auch diesmal keine Erfrischung an. Das Mädchen schob ihr das Bänkchen für den verletzten Fuß zurecht und verließ knicksend den Raum.
    «Lass uns keine unnütze Konversation machen, Claes. Morgen ist die Beerdigung, und ich habe viel zu tun.»
    Ihre Kühle verletzte ihn, und seine Hoffnung, sie möge bereitwillig ihre Geheimnisse mit ihm teilen und womöglich doch noch den Weg für Christians Liebe zu Lucia öffnen, schwand.
    «Gewiss», sagte er steif, «ich werde dich nicht länger als notwendig aufhalten. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass der kürzlich verstorbene Dichter, du erinnerst dich gewiss, tatsächlich vor langer Zeit mit dem Kapitän bekannt war. Er ist sogar auf einem seiner Schiffe mitgefahren, und es ist ziemlich sicher, dass sie gemeinsam in einen Barbareskenüberfall gerieten. Hat er je davon erzählt?»
    Gunda schüttelte den Kopf.
    «Nein, daran würde ich mich erinnern. Er erzählte allerdings nie viel von seinen Fahrten, er hatte eine eigentümliche Scheu davor, wohl weil er glaubte, dass das eine Frau langweilen oder erschrecken könnte. Was ist damals geschehen?»
    Claes erzählte ihr das Wenige, was er wusste, und sie hörte mit wachsender Spannung zu.
    «Ich hoffe», schloss er, «dass es irgendwelche Papiere in seiner Hinterlassenschaft gibt, die mir weiterhelfen, in denen steht, wer noch mit auf dem Schiff war, und besonders, wer außer ihm und Billkamp den Barbaresken entkommen ist. Das ist unser einziger Hinweis. Drei Männer sind tot, sie kannten sich, aber obwohl sie so nahe beieinander lebten, pflegten sie diese Bekanntschaft nicht. Das Einzige, was zumindest zwei, wahrscheinlich sogar alle drei verband, war eine Schiffsreise vor etwa drei Jahrzehnten, bei der sie einem Barbareskenüberfall entkamen, der später zu Unstimmigkeiten mit der Sklavenkasse führte. Ich glaube, dass die Morde damit zusammenhängen müssen.»
    «Sind deine Schlüsse nicht ein wenig verwegen, Claes? Nur weil es vor so vielen Jahren offenbar Schwierigkeiten mit der Auslösung gegeben hat, in die mein Mann vielleicht, wirklich nur vielleicht, verwickelt war, sollte ihn deshalb jemand getötet haben? Und erst jetzt?»
    Sie dachte an die anderen Sklaven, an denen der Kapitän reich geworden war. Spielte Claes auch darauf an? Oder hatte er das vergessen? Warum

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