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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Gott für diesen Sohn. Der hatte ein freies Gemüt. Er selbst hätte sich eher die Zunge abgebissen, als vor seinem Vater dieses Zugeständnis zu machen, das zugleich ein Angebot des Vertrauens bedeutete.
    «Ich bin froh, dass du mich fragst.» Christian lächelte schüchtern und löste seine Halsbinde, als dürfe er endlich wieder frei atmen. «Ich bin froh, weil du mir damit den Anfang abnimmst. Seit Tagen will ich mit dir darüber sprechen, aber ich wusste nicht, wie, und fand auch nie den rechten Augenblick.»
    Sein Blick glitt über das sanfte Ufer des Sees, doch er sah weder die Schwäne, die mit ihren grauen Jungen durch das stille Wasser glitten, noch die Dächer von St. Georg am jenseitigen Ufer. Alles Leichte, alles Lächeln war wieder aus seinem Gesicht verschwunden.
    «Wenn du Schulden hast …»
    «Nein, keine Schulden. Ich bin zwar ein lausiger Spieler, aber es macht mir auch nicht genug Spaß, als dass ich nicht zur rechten Zeit aufhören könnte.»
    «Hast du ein Mädchen … nun, man nennt das allgemein ‹in Schwierigkeiten gebracht›? Das lässt sich sicher regeln.»
    «Falsch, Vater, ganz falsch. Ich bin mindestens so ehrbar wie du. Das liegt uns wohl, manchmal denke ich: leider, im Blut. Hör auf zu raten, hör mir lieber zu. In einem hast du recht, es geht um ein Mädchen. Aber nicht um so eines, wie du vermutest. Sie ist auch nicht in dieser Art von Schwierigkeiten. Im Gegenteil, sie ist noch ehrbarer als ich, was wirklich nicht zur Lösung des Problems beiträgt, aber ich fange am besten am Anfang an.»
    Das Mädchen, ein wahrer Engel, von bestrickender Sanftmut und mit einer Taille wie eine Libelle, ihr Haar von goldenem Braun wie Buchweizenhonig und ihre Wangen rosig wie, ach, eben wie die schönste Mairose in Annes Garten, ihre Stimme … An dieser Stelle seufzte Christian, und Claes war gewiss, dass er gleich von ihren Kirschlippen sprechen würde. Aber das tat sein Sohn nicht.
    «Sie bewegt sich wie eine Elfe», fuhr er fort, «und selbst auf Schlittschuhen …»
    «Auf Schlittschuhen? Die Elbe war zuletzt im Februar zugefroren, und auch auf die Alster hat sich schon im frühen März niemand mehr gewagt. Wie lange kennst du sie? Und warum weiß ich nichts von ihr?»
    Christian ließ sich von dem Anflug väterlicher Strenge nicht beeindrucken.
    «Du hast ganz recht. Wir kennen uns, seit die Elbe zuletzt zugefroren war, seit dem 23 . Februar, um es genau zu sagen. Es war kurz nach dem Krach in der Commerzdeputation und genau in der Zeit, als die
Maria van Steen
als verschollen galt. Du warst ständig beim Rat und in der Admiralität, und damals gab es auch noch keinen Grund, sie dir vorzustellen. Und nun», seufzte er düster, «ist es sowieso zu spät.»
    Er hatte Lucia, so hieß die zarte Ursache seiner Melancholie, an jenem sonnigen, aber bitterkalten Februartag auf der Elbe vor Altona zum ersten Mal gesehen. Zwei Knaben waren bei ihr, ihre Brüder, wie er später erfuhr, und einander an den Händen haltend glitten alle drei schnell wie der Wind über das blanke Eis. Zuerst hatte er ihr Lachen gehört, ihr helles und das tiefere, etwas brüchige der beiden Jungen. Die Mütze des größeren wehte davon, und sie jagten ihr nach. Der Rummel, der sich stets einstellte, wenn die Elbe «stand», wie die Hamburger es nannten, wenn der breite Fluss vom nördlichen bis zum südlichen Ufer und um alle Inseln herum zugefroren war, fehlte an jenem Tag. Der Wind war einfach zu scharf. Den dreien schien das nichts auszumachen. Und dann wehte eine Bö erst die Mütze direkt vor Christians Füße und dann das Mädchen direkt in seine Arme. Er fing sie auf, und so hatte es angefangen.
    Obwohl er schon andere Mädchen in den Armen gehalten hatte, nicht nur beim Eislaufen, glaubte er etwas völlig Neues, etwas ganz und gar Unerhörtes zu erleben. Aber das Mädchen griff nur eilig nach der Mütze, rief ihm eine fröhliche Entschuldigung für die Karambolage zu und war schon wieder übers Eis davon.
    Niemand von Christians Freunden hatte sie erkannt, aber einer meinte, er habe sie neulich mit ihrer Familie in Altona gesehen, vor der Mennonitenkirche am Ende der Großen Freiheit, aber vielleicht sei es auch eine andere gewesen, wen solle man denn unter all den warmen Schals und Hauben erkennen?
    «Eine Mennonitin?»
    «Ja, Vater. Aber das wusste ich da noch nicht, und es war und ist mir auch jetzt völlig egal.»
    Claes nickte. «Natürlich. Erzähl weiter.»
    Es dauerte einige Wochen, bis er sie

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