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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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erkannte er von der Bastion Albertus den Turm des Pavillons im Stedemühlen’schen Garten. Und wer weiß, vielleicht konnte auch Lucia nicht mehr schlafen, ganz gewiss konnte sie das nicht, und er entdeckte einen Zipfel ihres Kleides zwischen den Büschen. Auch wenn er sie nicht treffen durfte, ein Blick über eine Meile Entfernung musste erlaubt sein.
    Unter den Ulmen auf dem Wall war es still, wer um diese Stunde schon emsig war, arbeitete in den Werkstätten und Küchen oder drängte in entgegengesetzter Richtung in die Stadt und zum Hafen. Albertus ragte hoch über die Elbe, und höchstens der Altan des Baumhauses bot einen schöneren Rundblick über den Hafen und die weite Landschaft bis zu den Marschen am südlichen Ufer.
    Die Sonne war nun schon über die Dächer geklettert, sie hing am Himmel, blass und grell zugleich. Es würde, natürlich, wieder ein heißer, drückender Tag werden.
    Christian war enttäuscht. Vom Stedemühlen’schen Garten war nicht einmal ein Zweig der äußeren Eibenhecke zu sehen. Er hätte es wissen müssen. Altona war schließlich kein Fischerdorf, sondern eine Stadt mit ebenso hohen Häusern wie Hamburg. Das Haus in den Palmaillegärten und selbst der Pavillon am Ufer waren vollständig dahinter verborgen. Und selbst wenn Lucia auf einem der vorderen Dächer gesessen hätte, der gleißende Dunst ließ alle Konturen verschwimmen.
    «Dann gehen wir eben frühstücken, Bella.» Er klopfte der Stute den schweißnassen Hals, und gerade als er die Bastion verlassen und sich über das Johannisbollwerk hinunter am Hafen entlang zum Neuen Wandrahm aufmachen wollte, entdeckte er ihn. Zuerst sah er nur die breit ausgestreckten Beine, die kräftigen Waden in weißen Seidenstrümpfen. Der Rest des Mannes, der da auf der Bank unter einer Ulme saß, war hinter dem dicken Stamm verborgen. Christian hatte das Gefühl zu stören, aber sein Weg führte an der Bank vorbei, und wobei sollte er jemanden stören, der nur wie er selbst über die Elbe blickte?
    Er kam näher, sah den ganzen Mann und erkannte ihn sofort. Marburger, Zuckerbäcker und Profiteur erster Güte, hing schräg auf der Bank und schlief mit offenem Mund. Und das zu einer Stunde, in der in allen Zuckerraffinerien der Stadt längst Hochbetrieb herrschte. Auf seiner Jacke aus dunkelgelbem Samt, gerade an der Stelle, unter der selbst er ein Herz haben musste, schimmerte ein grünlicher Fleck.
    Christian grinste. Der Dicke hatte wohl eine schlechte Nacht gehabt, wenn er hier gestrandet war und die berüchtigte tyrannische Aufsicht über seine Knechte vergaß.
    Zuerst wollte er einfach vorbeigehen, aber dann sah er wieder Oswalds hageres Gesicht vor sich und entschied anders. Die Gelegenheit, diesen miesen Kerl sturzbetrunken, denn das war er ganz gewiss, bei der Wache abzuliefern und dem öffentlichen Spott preiszugeben, kam so schnell nicht wieder.
    «Marburger», rief er, «aufwachen, der Sirup kocht über!»
    Aber so einfach war Marburger nicht wachzukriegen. Eine winzige rote Spinne kroch eilig über seine Stirn, kletterte mühsam durch die kräftigen Augenbrauen und verschwand schließlich in seinem linken Ohr.
    Auch das konnte ihn nicht wecken, denn Marburger war tot. Ein dünnes Rinnsal von Blut, es begann gerade erst zu trocknen, sickerte von einer schmierigen Wunde hinter dem Ohr, das die Spinne als Versteck gewählt hatte, den kurzen fleischigen Hals hinab und färbte seine Halsbinde dunkelrot. Die halb geöffneten Augen und der offene Mund gaben ihm den Ausdruck eines misstrauischen dicken Kindes. Lebend hatte er niemals so harmlos ausgesehen.
    Christian hatte in den letzten Monaten oft gedacht, eines Tages werde ihn einer in seiner eigenen brodelnden Zuckerbrühe ersäufen. Eine wahrhaft unchristliche, aber doch sehr angenehme Vorstellung. Stattdessen hatte ihn jemand mit einer Zuckerhutform erschlagen. Die lag nun blutbeschmiert zwischen den Wurzeln der Ulme.
     
    «Aber warum hast gerade du ihn gefunden?» Claes Herrmanns lehnte an seinem Schreibpult und sah seinen Sohn fragend an. «Was hast du überhaupt auf Albertus gemacht?»
    «Es war noch so früh, als ich durchs Tor kam. Da bin ich einfach auf die Bastion geritten, um, na ja, um über den Hafen zu sehen. Du sagst doch selbst immer, dass das der schönste Blick über die Elbe ist.»
    Claes nickte. «Natürlich. Entschuldige, Christian. Es geht mich ja auch gar nichts an, welchen Weg du nimmst.»
    Er nahm ein Stück Schinken von der Platte, die Elsbeth den beiden

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