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Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Titel: Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zumindest etwas, worüber sie reden konnten. So viel gab es darüber auch nicht zu reden. Blenda wollte noch mehr Rotwein. Sollten sie nicht gleich eine Flasche bestellen, dann müsste Sally nicht die ganze Zeit hin- und herrennen? Das könnten sie tun, sagte Frank. Übrigens hatte Blenda sich hübsch gemacht, mit einer burgunderroten engen Bluse und einer Perlenkette. Sie war richtig hübsch. Frank wurde verlegen. Er hatte nicht daran gedacht, einfach ein Hemd und eine ganz normale Jacke angezogen. Bei der Arbeit trug er schönere Kleidung. Er hatte vergessen, wie es war, Damen auszuführen, und es waren auch nicht so schrecklich viele gewesen, die er im Laufe der Jahre ausgeführt hatte.
    »Ist es gut?«, fragte Blenda.
    »Was?«
    Sie lachte. Sie lachte gern. Es war das Lachen, in das Frank sich verliebt hatte.
    »Das Hähnchen, Frank. Das du auf dem Teller direkt vor dir hast.«
    Frank musste auch lachen.
    »Ja. Gut. Und deins? Ich meine, der Fisch?«
    »Sehr gut. Sie fangen ihn oben bei den Mühlen. Es ist Seebarsch.«
    »Ich weiß. Seebarsch. Die können ziemlich groß werden.«
    »Die kommen vom Meer hier herauf und schwimmen dann wieder zurück.«
    »Um zu laichen?«
    »Das ist der Lachs, der das macht.«
    Sie aßen weiter. Frank dachte an Henry Stout und den Sohn und war von Herzen froh, dass er keinen Barsch bestellt hatte, diesen gefräßigen Seebarsch. Irgendwie hätte das nicht gepasst, fand Frank, ohne genau zu wissen, wieso. Er war kurz davor zu erzählen, wie sein Vater dieses Monster genannt hatte, Wrackbarsch, doch dann musste er wieder an Familie Stout denken, insbesondere an Mrs Stout, die Witwe, ohne dass der Besuch bei ihr in irgendeiner Weise mit diesem Date zu vergleichen gewesen wäre. Aber warum stockte die Unterhaltung? Frank versuchte auf ein anderes Thema zu kommen, fand aber keines. Und er konnte ja nicht irgendwas von sich geben. Ihm schien, als fiele alles unter die Schweigepflicht. Warum war es so viel einfacher, sich in seinem Büro zu unterhalten? Sollte es nicht umgekehrt sein? Nein, im Büro konnte er sie jederzeit bitten, zu gehen und die Tür hinter sich zu schließen. Hier hatte er keinerlei Rechte. Hier war er gefangen. Hier musste er bitte schön bleiben, vielleicht sogar bis sie schlossen, und was dann? Doch, Frank war froh, dass sie allein im Lokal waren und niemand seine Hilflosigkeit sah.
    Blenda schob den Teller über den Tisch.
    »Willst du probieren?«
    Frank wollte nicht probieren. Er aß keinen Fisch. Das hätte er sagen sollen. Dass er nie Fisch aß. Nicht, dass er keinen Fisch mochte, sondern eher aus Prinzip. Und diesen Fisch aß er schon gar nicht.
    »Die Bluse steht dir«, sagte er.
    »Das hast du schön gesagt. Wenn du es auch meinst.«
    »Natürlich. Und die Perlenkette auch.«
    Blenda schob den Teller noch näher zu ihm. Frank nahm ein Stückchen von dem grauen Fischfleisch, kaute was das Zeug hielt und spürte, dass sich eine Gräte nach der anderen zwischen den Backenzähnen festsetzte. Es war unglaublich, wie viele Gräten in so einem kleinen Stückchen Platz fanden. Da waren ja mehr Gräten als Fleisch dran. Blenda bat ihn, den Mund zu öffnen, und zog eine Gräte heraus, noch eine und noch eine, er saß da mit aufgerissenem Mund, während sie ihn irgendwie putzte. Dann schob Frank ihr das Hähnchen hin.
    »Willst du probieren?«
    »Nein, danke«, sagte Blenda.
    Sie stießen an und aßen zu Ende. Frank entschuldigte sich, ging auf die Toilette und spuckte. Als er zurückkam, stand ein Milkshake für ihn auf dem Tisch. Blenda saß über ihren gebeugt da und hielt den Strohhalm mit zwei Fingern fest.
    »Milkshake und Rotwein«, sagte Frank, »das habe ich noch nie probiert.«
    »Irgendwann ist immer das erste Mal, nicht wahr?«
    »Ich dachte, ich wäre zu alt dafür.«
    »Wofür?«
    »Dafür, dass etwas das erste Mal ist.«
    Blenda berührte seine Hand.
    »Hör auf. So alt bist du doch noch nicht.«
    Beide mussten lachen. Doch dann stockte das Gespräch erneut. Sally beugte sich über den Tresen und summte irgendeine Melodie. Es dauerte eine Weile, bis Frank hörte, was das war. Es war B 12. Blenda schob ihre Hand näher ans Glas.
    »Jeder Mensch hat seine Art zu trauern«, sagte er und hatte selbst keine Ahnung, warum er genau das genau jetzt sagte.
    Blenda legte ihre Hand auf seine.
    »Das stimmt.«
    »Kannst du mir ansehen, wenn ich mit schlechten Nachrichten komme?«
    »Wenn du arbeitest, kommst du mit schlechten Nachrichten. Jetzt kann ich davon nichts

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