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Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Titel: Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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aber wenn es das war, was sie meinte, dann hätte er nicht hier sitzen können, um sich diese Vorwürfe anzuhören.
    »Was ist eigentlich ein Unfall?«, fragte Frank.
    Blenda brach in lautes Lachen aus, sie bekam etwas ins falsche Halsloch und musste husten, bis sie ganz rot im Gesicht wurde. Frank schlug ihr mit der flachen Hand auf den Rücken, mehrere Male, zuerst vorsichtig, dann fester und fester, und während er das tat, musste er daran denken, wie lange es her war, dass er eine Frau berührt hatte. Es war zwar nicht gerade als Zärtlichkeit anzusehen, eher als Erste-Hilfe-Maßnahme, doch jedes Mal, wenn er die dünne, etwas feuchte Bluse, die an ihrer Haut klebte, traf, spürte er einen Hauch von Wärme in der Handfläche, und dass er den Träger des Büstenhalters spürte, war gar nicht zu vermeiden. Blenda gelang es zum Schluss, etwas auszuspucken, das auf dem Boden landete und verschwand. Langsam beruhigte sie sich.
    »Frag das besser nicht, wenn die Kommission es hören kann. Was ein Unfall ist.«
    »Aber ich meine es ernst. Gesetzt den Fall, dass ein Mann so dumm ist, in die Wüste zu gehen, ohne etwas zu trinken, und er stirbt nach zwei Tagen, ist das ein Unfall?«
    »Eigentlich nicht. Es ist ja seine Schuld, dass er so dumm ist.«
    »Genau! Das ist es, was ich meine. Es ist seine Schuld. Aber wenn er über einen Stein stolpert, sich das Bein bricht und dort liegen bleibt, dann ist es ein Unfall, nicht wahr?«
    Blenda musste ihm zustimmen.
    »Es ist lustig, sich mit dir zu unterhalten«, sagte sie.
    Nicht alle fanden, dass es lustig war, sich mit Frank zu unterhalten. Er beugte sich vor und registrierte, dass sie gut roch.
    »Und wenn du den Bissen nicht wieder rausgekriegt hättest …«
    »Die Olive.«
    »Wenn du die Olive nicht wieder rausgekriegt hättest und daran erstickt wärst, wäre das dann ein Unfall?«
    »Jetzt ist es nicht mehr lustig, sich mit dir zu unterhalten, Frank.«
    »Vielleicht können wir eines Abends mal zusammen essen gehen?«
    Frank traute seinen eigenen Ohren kaum. War er es wirklich, der das fragte? War er es, der mit Blenda Johnson ausgehen wollte? Doch bevor sie antworten konnte, klingelte zum Glück das Telefon. Es war der Sheriff. Eine ältere Dame, Mrs Ruth Clintstone unten in der Shovel Street, hatte vergessen, die Herdplatte auszuschalten, und war an einer Rauchvergiftung gestorben. Sie war Witwe, hatte jedoch einen Sohn, der benachrichtigt werden musste, Arthur Clintstone, 50 Jahre, arbeitsloser Streckenarbeiter, nur selten freundlich aufgelegt, also hieß es auf der Hut sein. Frank bekam die Adresse und fuhr dorthin, zu einem der letzten Häuser entlang der Straße Richtung Osten, eine Bruchbude von einem Ende bis zum anderen. Er parkte und ging zur Haustür, die in den Scharnieren hing, klopfte an, aber niemand kam und öffnete die Tür, die bereits offen war. Mr Arthur Clintstone, rief Frank. Zwei Rotzgören standen plötzlich da und zogen und zerrten an seinem Hosenbein. Er musste sie wegtreten, bevor sie ihm den ganzen Anzug zerrissen, aber im nächsten Moment waren sie wieder da, noch aufdringlicher, jetzt versuchten sie auch noch seine Schuhe kaputt zu kriegen. Da tauchte einer auf, der Arthur Clintstone sein musste, ein fetter Draufgänger, ein ungepflegter Kerl im Unterhemd, nein, er schien in keiner Weise freundlich aufgelegt zu sein. Er schmiss die Quälgeister raus und starrte Frank an.
    »Wenn du kommst, um unsere Kinder zu holen, kannst du uns gleich erschießen, alle zusammen«, sagte Arthur Clintstone.
    »Das will ich natürlich nicht …«
    Frank konnte nicht zu Ende reden.
    »Und wenn ihr den Truck mitnehmt, könnt ihr gleich das, was vom Haus noch übrig ist, mit einreißen.«
    Was Frank am meisten verwunderte, war, dass dieser wenig ansprechende Mann all das auf eine ruhige, fast nachdenkliche Art und Weise sagte, und das verlieh ihm eine Art Würde, eine tiefe, verzweifelte Würde.
    »Sie sind Arthur Clintstone?«
    »Und wer bist du?«
    »Frank Farrelli. Ich bringe leider schlechte Nachrichten.«
    »Das sehe ich.«
    »Ihre Mutter ist tot.«
    Arthur Clintstone beugte sich weiter vor.
    »Sag das noch einmal.«
    »Mrs Ruth Clintstone hat leider vergessen, gestern Abend die Kochplatte auf dem Herd auszustellen, und ist im Laufe der Nacht gestorben. Sie wurde heute Morgen in ihrem Bett gefunden.«
    »Und du bist ganz sicher, dass sie es war?«
    »Wenn Mrs Ruth Clintstone in der Shovel Street 4 Ihre Mutter ist, dann bin ich leider sicher.«
    Ihr Sohn

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