Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman
Schalter um.
»Frank. Bitte …«
»War das etwa schwer? Soll ich es dir noch einmal zeigen?«
»Jetzt bist du gemein, Frank.«
»Gemein? Ich dachte, ich wäre böse?«
»Du bist gemein, wenn du so etwas tust.«
»Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, wir beide sollten eine Pause machen.«
Etwas in der Art hatte er noch nie zuvor gesagt, ganz einfach, weil er nie die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Es fühlte sich eigentlich ganz gut an, so etwas mal laut zu sagen. Aber wenn er sich eingebildet hatte, dass Blenda auf die Knie fallen und um Verzeihung flehen würde oder worum auch immer sie hätte flehen können, dann irrte er sich gewaltig. Ganz im Gegenteil, sie schaute ihn nur mit acht Grad minus im Blick an und sagte:
»Wovon denn, Frank Farrelli?«
Also war es Blenda, die letztendlich eine Pause machte, nicht Frank. Er lief zwar einige Tage mit steifem Rücken herum und versuchte sich selbst davon zu überzeugen, dass er das einzig Richtige getan hatte. Er hatte seine Arbeit über das Privatleben gestellt. Er hatte Verantwortung übernommen, ganz gleich, wie schmerzhaft das auch war. Und schmerzhaft war es. Zuerst begann seine Mutter zu meckern. Was hatte er mit Blenda gemacht? Wieso sahen sie sich nicht mehr, dieses nette Mädchen? Hatte Frank alles kaputtgemacht, im letzten Moment, als er sie fast schon an Land gezogen hatte? Er behauptete, dass so viel zu tun sei. Außerdem hatte er keine Zeit für Vergnügungen. Da nahm sich Mrs Farrelli ihren Sohn zur Brust. Vergnügungen? Glaubte er, Liebe und das, was darauf folgt, wären Vergnügungen? In seinem Alter? Oh nein, das konnte sie ihm versichern. Es war reine Mühe, es war harte Arbeit, es bedeutete Niederlagen und Freude, immer abwechselnd. Doch dann ergab es sich, dass Frank eines Morgens neben dem Sheriff im Pissoir stand und pinkelte. Frank mühte sich ab, überhaupt einen Tropfen herauszubekommen, während der Strahl des Sheriffs die Wand mit einem Knall traf. Frank überlegte, vielleicht lieber in eine leere Kabine zu gehen, das hätte er gleich tun sollen, aber jetzt dorthin zu gehen, das gehörte sich ja wohl nicht, also blieb er vor der Rinne stehen und drückte und presste, breitbeinig und verzweifelt.
»Ich habe mir eine Sache überlegt«, sagte der Sheriff.
Frank krümmte den Rücken, hob die Schultern und nahm erneut Anlauf, doch nichts half. Und jetzt fing der Sheriff auch noch an, sich mit ihm zu unterhalten.
»Willst du es hören, Farrelli? Oder hast du bereits genug, worüber du nachdenken musst?«
»Nein. Ich meine, worum geht es denn?«
»Toiletten. Warum ist es nicht möglich, eine Toilette zu konstruieren, auf der man pissen kann, ohne klatschnasse Schuhe zu bekommen?«
»Das ist wahr«, sagte Frank.
»Ganz gleich, wohin man zielt, man kriegt Pisse auf die Schuhe.«
»Wie wäre es, ein Stück beiseitezugehen?«
»Und stattdessen auf den Boden zu treffen? So kommst du auch nicht weiter. Schlechter Vorschlag, Farrelli.«
Frank fiel nichts anderes ein, also sagte er auch nichts mehr. Der Sheriff wurde fertig, schüttelte ein wenig ab und knöpfte dann den Hosenstall zu. Dennoch blieb er stehen und schaute Frank an, was dieser sowohl unpassend als auch beunruhigend fand.
»Probleme?«, fragte der Sheriff.
Frank lachte.
»Nein. Nur noch etwas müde am Morgen. Das kommt schon.«
»Ja, wollen wir’s hoffen. Aber weißt du, was am schlimmsten an diesen Pissoirs ist?«
»Der Geruch?«
»Das Schlimmste ist, dass sie so eng nebeneinander angebracht sind, dass du die Pisse eines anderen Mannes auch noch abkriegst. Das ist das Schlimmste. Die Pisse eines anderen, Farrelli.«
Frank sah auf seine Schuhe. Der eine Schnürsenkel hing in der dreckigen Pfütze. War das die Pisse des Sheriffs? Musste sie wohl sein.
»Sag mir, warum du nach Mrs Stout gefragt hast«, sagte der Sheriff.
»Wie gesagt, ich wollte nur wissen, wie …«
»Hör auf, Farrelli. Du weißt warum. Mrs Stout und ich, wir haben eine Beziehung begonnen, und das geht dich genauso wenig an, wie mich deine Beziehung zu Blenda etwas angeht. Ist das klar?«
»Ja, klar.«
Der Sheriff ging zum Waschbecken, drehte den Hahn auf und spülte sich die Hände ab. Im gleichen Moment löste es sich in Frank, ob es nun das fließende Wasser oder die Worte des Sheriffs waren, die dazu beitrugen, wusste er nicht, und es konnte ihm auch egal sein, und auch ob er sich auf die Schuhe pisste, bekümmerte ihn nicht. Jetzt musste er nur Blenda zu fassen bekommen und ihr sagen, dass
Weitere Kostenlose Bücher