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Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Titel: Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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gefällt mir. Das ist das Gesetz des Eisangelns.« Busy Bee schaute Dr. Good an. »Es ist nicht eher das Loch im Eis, das Sie interessiert?«, fragte er. »Fürs Eisangeln muss man natürlich ein Loch bohren. Man kann ja nicht das ganze Eis entfernen. Dann ist es kein Eisangeln mehr.« »Aber dieses Loch in die Dunkelheit, Sie sehen da doch auch eine Ähnlichkeit?« »Wozu?« »Zu Ihnen selbst, Chris. Es gibt eine große Dunkelheit auch in Ihnen, nicht wahr?« »Was meinen Sie damit?« »Sehen Sie es doch einmal so, dass Sie sich auf dem Grund befinden.« Ich sah mich gezwungen, ihn zu unterbrechen. »Ich befinde mich nicht auf dem Grund. Ich stehe auf dem Eis. Ich bin derjenige, der das Loch bohrt. Kapieren Sie das doch endlich.« »Versuchen Sie trotzdem, es vor sich zu sehen, Chris. Sie sind es, der auf dem Grund steht.« Ich musste ihn einfach wieder unterbrechen. »Wenn ich es bin, der auf dem Grund steht, wer bohrt dann das Loch? Ich kann doch nicht beides tun.« Auch Dr. Good war klar, dass dieses Gespräch auf schiefe Bahnen geraten war. »Der Punkt dabei ist, dass Sie Eisangeln ausgesucht haben, Chris«, sagte er. »Das ist kein Zufall.« »Und was ist, wenn man einfach nur Lust auf einen Barsch hat? Was ist, wenn man einfach nur Lust hat zu pilken, ohne etwas zu fangen, weil allein das Pilken eine Art des Lebens ist.« Busy Bee leckte Blut und beugte sich vor. »Sagen Sie nicht man.« »Wie bitte?« »Sagen Sie ich. Es ist nicht man , der auf dem Eis steht.« »Was soll ich sagen?« »Sie. Ich.« »Sie und ich? Stehen Sie und ich jetzt auf dem Eis?« Busy Bee seufzte und wandte sich stattdessen Dr. Good zu. »Es ist die Dunkelheit da unten, auf die wir ein Licht werfen wollen«, sagte er. »Und was ist, wenn ich im Dunkel sein möchte?« »Dann wären Sie nicht hierhergekommen.« »Genau das meine ich doch.« »Stellen Sie sich selbst als ein Haus vor, Chris. Wollen Sie jemanden hereinlassen, um das Licht anzuzünden?« Ich musste lachen. Wieder einmal war ich meiner Sache vollkommen sicher, und das letzte Mal war lange her, nämlich dass man ein spezielles Zertifikat braucht, um so umfangreiche Bilder und andere Gleichnisse benutzen zu dürfen. Es sollte Gefängnisstrafe ohne Bewährung auf den Missbrauch von Metaphern stehen. »Sie hätten etwas aussuchen können, was Sie das ganze Jahr über machen können«, sagte Busy Bee. »In Norwegen kann man das ganze Jahr auf dem Eis angeln. Das stimmt. Ich kann das ganze Jahr Eisangeln, wenn ich will.« »Und Sie hätten etwas aussuchen sollen, was Sie mit anderen zusammen machen können.« »Man kann gut auf dem Eis zusammen angeln, wenn man nur weit genug voneinander entfernt steht. Wie schon gesagt. Und apropos Fische. Wussten Sie, dass der Karpfen der Fisch ist, der am längsten an Land leben kann?« Dr. Good unterbrach mich. »Ich fürchte, Sie nehmen das hier nicht ernst«, sagte er. Was ich bestritt. »Ich bin freiwillig hierhergekommen und habe ein Vermögen dafür bezahlt. Ich nehme das sehr ernst.« »Dennoch glaube ich, Sie halten uns hier zum Narren, Chris. Und wenn Sie das tun, dann halten Sie auch den Rest der Gruppe zum Narren. Wir sitzen im gleichen Boot.« Waren wir jetzt auch noch in einem Boot? Die Metaphern stapelten sich aufeinander, ein Haufen von Metaphern, Eisangeln, Haus, Boot, konnten die Dinge nicht einfach so bleiben, wie sie waren? Das wollte ich sagen, sagen, dass ich mich nach der Oberfläche sehnte, dass es zu viel Inhalt in der Welt gab. Aber ich war nicht länger in der Lage, Widerstand zu leisten. »Das habe ich nicht gewollt«, sagte ich, »irgendjemanden zum Narren halten.« »Was wollen Sie dann, Chris?« »Ich habe keine Ahnung, Dr. Good. Das ist ja das Schreckliche.« Wieder fiel mir Moby Dick ins Auge, es stand nicht mehr an der gleichen Stelle wie beim letzten Mal, vielleicht hatte Dr. Good oder auch Dr. Feel in der Zwischenzeit darin gelesen. »Wir könnten lieber darüber reden, über Käpten Ahab, darüber, dass die Hauptperson des Romans, Käpten Ahab, unglaublicherweise nicht vor Seite 349 auftaucht, und dennoch ist er da, als Gerücht, Schatten, Drohung, Mythos und Angst.« Inzwischen war die Stunde zu Ende. »Genau das ist es, was wir herausfinden wollen, Chris«, sagte Dr. Good. »Was Sie wollen.« Busy Bee gab mir das Formular zurück, und Bill brachte mich zurück zu meinem Zimmer. Bill arbeitete Tag und Nacht. Nachts kam er jede Stunde in mein Zimmer, leuchtete mich mit einer Taschenlampe an und zog sich leise

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