Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman
Klopapier ab, wischte den Schaum weg und klebte das Stückchen auf den Schnitt. Dann jagte Frank sie weg, zog sich an, holte die Autoschlüssel aus der untersten Schublade in der Küche unter einem Stapel unbezahlter Rechnungen. Er ging hinters Haus, wo der rote Chevrolet zwischen Disteln und Unkraut stand, das bald höher gewachsen war als die Seitenspiegel. Zum Schluss bekam er die Tür geöffnet, aber starten wollte dieser Blechhaufen nicht, den sein Vater, Tom Farrelli, 1962 gekauft hatte, als die Zeiten noch besser waren und du deinen Lohn jeden Freitag in einem dicken länglichen Umschlag abgeholt hast, während Ella Fitzgerald Blue Skies im Radio sang und auch am Samstagabend in den Jukeboxen, aber nicht ganz glockenklar. Wer hat das breiteste Grinsen in der April Avenue?, fragte Tom Farrelli dann immer, und er gab sich selbst die Antwort. Das ist Tom Farrelli, Jungs. Jetzt lag ein toter Schwarm Insekten auf dem Armaturenbrett, und Frank hätte sich nicht gewundert, wären da ein paar Eidechsen oder eine Ratte aus den aufgeplatzten Lederbezügen gekrochen, die früher nach Teaköl, Tabak und Mutters Samstagsparfüm geduftet hatten. Frank pustete auf die umgekommenen Insekten, und sie lösten sich in Staub auf und verschwanden vor seinen Augen. Es war natürlich kein Benzin mehr im Tank. Frank fand einen Kanister und machte sich auf zu Millers Auto am Ende der April Avenue. Insgesamt dauerte die ganze Sache mit dem Chevrolet länger, als er gebraucht hätte, um in einem angenehmen Tempo zum Rathaus zu gehen. Aber Frank Farrelli betrachtete es folgendermaßen: Heute begann eine neue Zeit. Sie hatte lange genug stillgestanden. Und er wollte nicht wie irgendein elender Verlierer durch Karmack latschen, nein, er wollte den Zündschlüssel drehen, hören, wie die herrlichen Kräfte in ihm und dem Metall zum Leben erweckt wurden und auf die April Avenue hinausfahren, dann nach links abbiegen und nicht anhalten, bis er vor dem Rathaus parken konnte, wo er vom heutigen Tag an als Übermittler eingestellt worden war, zwar vorläufig erst für zwei Monate, aber das war nicht so wichtig, es konnte gar nicht schiefgehen. Und die Leute, wenn es denn Leute gab, die sich auf die Straße trauten, sie sollten sich nach ihm umdrehen und sagen, da fährt ein Sieger. Frank Farrelli wollte von vorn anfangen.
Steve Miller stand in dem gleichen Overall, den er immer getragen hatte, zwischen den Benzinpumpen. Er hatte dieses traurige Schicksal von seinem Vater, Martin Miller, übernommen, als dieser vor ein paar Jahren das Handtuch geworfen und sich ein für allemal auf der Veranda niedergelassen hatte, mit einem kanadischen Bier in Reichweite und dem Blick auf den Snake River, wo die Sonnenuntergänge an schönen Abenden, von denen es leider nicht so viele gab, die Ufer entlangflossen. Sie waren zusammen zur Schule gegangen, Frank und Steve, und sie waren damals unzertrennlich gewesen. Niemand verstand so recht, warum sie immer zusammengehangen hatten, denn sie waren so unterschiedlich, wie man nur sein konnte. Doch eines hatten sie gemeinsam: Steve erzählte Witze, und Frank lachte über sie. Allerdings lag diese Zeit schon eine ganze Weile zurück. Heute waren sie alte Freunde, denen der andere genügte. Steve nahm den Kanister und fragte:
»Was willst du denn mit Benzin, Frank? Das Haus abfackeln?«
»Sehr witzig, Steve.«
»Und wie geht es Mark? Hat er dich gebissen?«
Steve zeigte auf das Papierstückchen zwischen Franks Nase und Mund, und Frank konnte nicht begreifen, wieso er diese durchgekauten Kalauer aushielt. Aber Steve war wie gesagt sein einziger Freund, und deshalb hielt er sie aus.
»Und dein Vater lebt immer noch?«, fragte Frank.
»Er humpelt so dahin. Und deine Mutter? Lebt sie noch?«
»Sie humpelt so dahin.«
Steve steckte den Zapfhahn in den Kanister, füllte diesen bis zum Rand und schaute auf den Zähler.
»14 Dollar. Hast du so viel?«
»Ich habe so viel, Steve.«
»Und wann?«
»Montag.«
»Montag? Auch sehr witzig.«
»Wait and see«, sagte Frank.
»Auf was?«
»Es könnte ja sein, dass ich einen Job bekommen habe.«
»Hast du ihn gekriegt?«
»Es kann schon sein. Grüß deinen Vater von mir.«
»Du auch. Ich meine, deine Mutter.«
Frank schleppte den Kanister nach Hause, füllte den Tank und setzte sich hinters Steuer. Der Chevrolet war nicht gerade gefügig, doch zum Schluss gab er nach. Und genau wie Frank es sich vorgestellt hatte, bog er auf die April Avenue und fuhr zum Rathaus.
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