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Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Titel: Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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wovon man hier leben konnte außer schwarzen Anzügen, schlechten Nachrichten und Haaren. Frank blätterte eine Zeitung von gestern durch, The Record kam häufig erst einen Tag später heraus, meistens nur um des schönen Scheins willen, aber eine Reportage erweckte dennoch seine Aufmerksamkeit. Sie handelte von all den Segelbooten, die an der Küste entlangtrieben, ohne Kapitän, ohne Mannschaft, eine ganze Flotte leerer, verlassener Segelboote. Doch, so hing das Ganze zusammen, die Reichen konnten sich die Boote nicht mehr leisten, und da es keine Abwrackprämie auf sie gab, war es das Einfachste, die Vertäuung zu kappen und die Boote ihrem Schicksal zu überlassen.
    Mr Stout war schließlich mit dem Greis fertig, der an der Kasse bezahlte und verschwand. Frank nahm auf dem Stuhl Platz. Mrs Stout fegte die Stäubchen zusammen und warf sie in einen Müllsack, während sie dabei einen alten Schlager summte, der nie aus der Mode kam, Blue Skies. Mr Stout legte Frank den Umhang um und richtete seinen Kopf mit einem vorsichtigen Druck auf die Schläfen auf, so dass sich ihr Blick im Spiegel traf.
    »Ich soll vom Sheriff grüßen«, sagte Frank.
    »Schön. Mr …«
    »Farrelli, Frank Farrelli.«
    »Dann machen wir es wie üblich, nicht wahr?«
    Frank hatte darauf nichts zu erwidern, auch wenn er nicht so recht wusste, was üblich war. Aber er vertraute Mr Stout, der sich mit Schere und Kamm an die Arbeit machte. Frank schloss die Augen. Mrs Stout summte weiter. Es war eine Freude in diesem kleinen duftenden Raum, die Frank an Heiligabend erinnerte, zu der Zeit, als noch Geschenke zu erwarten waren.
    »Meine Frau ist heute ganz aufgedreht«, sagte Mr Stout.
    »Ich höre das.«
    »Jimmy kommt nämlich heute nach Hause. Jimmy ist unser Sohn.«
    »War er auswärts?«
    »Beim Militär. Fort West. Und hat Dienst im Irak geleistet.«
    »Dann hat er eine herzliche Begrüßung verdient.«
    »Das sage ich Ihnen. Nicht wahr, Barbara?«
    »Ich hoffe nur, er ist nicht zu dünn geworden.«
    Mr Stout lachte.
    »Wie ich dich kenne, bleibt er das jedenfalls nicht lange. Wenn der Junge dünn geworden ist, meine ich. Angeln Sie gern, Farrelli?«
    »Dafür bleibt mir leider nicht viel Zeit.«
    Mrs Stout drehte das Schild an der Tür um, so dass die Seite mit open nach innen zeigte. Frank war der letzte Kunde. Bald wollten sie Jimmy empfangen, ihren einzigen Sohn. Frank wünschte ihnen alles Gute und musste nicht bezahlen. Die Rechnung wurde natürlich ans Rathaus geschickt. Er dachte, dass jetzt die Welt geöffnet war, stand es denn etwa nicht auf dem Schild, dass die Welt offen war? Als er hinaustrat, fand er zunächst den Wagen des Sheriffs nicht. Der hatte um die Ecke geparkt. Frank setzte sich ins Auto. Der Sheriff hängte das Polizeifunkgerät an seinen Platz, schob seine Mütze nach hinten und strich sich mit dem Handrücken in einer langsamen, resignierten Bewegung über die Stirn.
    »Verdammter Mist«, murmelte er.
    Frank wollte nicht fragen, was denn verdammter Mist war. Er musste besonnen sein und durfte nicht zu eifrig wirken. Eine ganze Weile blieben sie schweigend sitzen. Der Sheriff schüttelte den Kopf.
    »Waren beide drinnen, Farrelli?«
    »Ja. Wenn es Mr und Mrs Stout sind, an die du denkst. Warum?«
    »Es sind Mr und Mrs Stout, an die ich denke. Wie wirkten sie?«
    »Wie sie wirkten? Sie freuten sich darauf, dass ihr Sohn nach Hause kommen sollte. Er ist im Irak gewesen.«
    »Er kommt nicht nach Hause.«
    »Ist was passiert?«
    »Er ist hinten am Ortsschild von der Straße abgekommen. Zu hohe Geschwindigkeit. Direkt in den Fluss.«
    »Und das ausgerechnet heute«, sagte Frank.
    Der Sheriff wandte sich ihm zu.
    »Gibt es irgendeinen Tag, an dem es besser passt, einen Sohn zu verlieren, Farrelli?«
    »So war das nicht gemeint. Ich habe nur gedacht, gerade heute. Nachdem er den Krieg überlebt hat.«
    »Sei vorsichtig mit dem, was du sagst. Du hast nur eine einzige Chance. Was bedeutet, dass du so wenig wie möglich sagst.«
    Wieder schwiegen sie eine Weile. Der Wind fegte Papier und Staub die Hauswände entlang. Nicht ein Mensch war zu sehen. Frank wurde ungeduldig.
    »Sollten wir nicht reingehen und es ihnen sagen?«, fragte er.
    »Gönnst du ihnen nicht noch ein paar Minuten normales Leben?«
    »Haben sie nicht das Recht, es so bald wie möglich zu erfahren?«
    »Gute Neuigkeiten kannst du nie schnell genug mitteilen. Aber in der Branche arbeiten wir nicht, Farrelli. Und mit schlechten Nachrichten ist es nie eilig. Lass

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