Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen
er lächelt. Es war ein langer, ziemlich ausführlicher Bericht.
Ist es nicht eigenartig? Ich könnte darüber lachen, wenn es nur nicht so traurig wäre! Aber erst jetzt, wo er verschwunden ist, ist Jan für die Menschen wichtig und interessanter als jemals zuvor.
Bruder, ich denke an dich – Dirbra cho kidin ne ochd.
Mirom.
4
Nick schleppte nacheinander seinen Koffer, die Laptoptasche und zuletzt den E-Gitarrenkoffer zum Auto. Es war sieben Uhr am Morgen, und alles lief genau nach dem Reiseplan seines Vaters, der bester Laune den Wagen belud.
Nach dem Frühstück ging es los. Nick, die Stöpsel seines MP3-Players im Ohr, machte es sich auf dem Rücksitz bequem. Seine Mutter hatte das Schiebedach geöffnet. Es dauerte nicht lange, da träumte er zufrieden in der Sonne, während er im Geiste einige Gitarrenstücke mitspielte.
Gegen Mittag kamen sie an. Das Fachwerkhaus stand abseits und war nur über eine holprige Landstraße zu erreichen, die sich durch Weiden, Wiesen und Wäldchen schlängelte. Wenn es länger nicht geregnete hatte, so wie in den letzten zwei Wochen, wirbelten Autoreifen Wolken von hellem Staub auf, die minutenlang wie Schleier in der Luft hingen.
Früher einmal war das Haus eine Wassermühle gewesen, aber seit der Renovierung sah man davon nichts mehr. Lediglich der Bach und der Mühlenteich erinnerten noch an diese Vergangenheit.
Auf den ersten Blick konnte man meinen, man wäre im Nirgendwo. Aber das war nicht so! Ganz in der Nähe gab es einen See mit Campingplatz, einen Ponyhof und eine Ferienhaussiedlung – und die damit verbundenen Angebote.
Viele Familien verbrachten hier seit Jahren ihren Urlaub, und im Laufe der Zeit hatte Nick mit anderen Kindern feste Ferienfreundschaften geschlossen. Während der übrigen Monate ließ man zwar nichts von sich hören, doch die Ferientage verbrachten sie gemeinsam.
Als der Wagen vor dem Haus hielt, kamen Marion und Thomas heraus, um sie zu begrüßen. Wie immer freute sich Nick, seine Tante und seinen Onkel zu sehen. Er stieg aus und lief zu ihnen. Von dem Mädchen, Lina, war nicht einmal ein Schatten zu sehen.
„Ich habe einen Erdbeerboden gemacht.“ Marion lächelte einladend. „Ihr habt doch noch Zeit?“
„Aber klar“, antwortete Nicks Vater. Er fand, dass man sich nach der dreistündigen Fahrt eine Kaffeepause zur Stärkung gönnen sollte.
Auf der Gartenterrasse, unter einem immensen Sonnensegel, war der Tisch für sechs Personen gedeckt. Aber auch hier keine Spur von Lina Soundso. Obwohl Marion rief: „Lina, sie sind da! Komm doch bitte zu uns“, geschah nichts.
Marions Kuchen schmeckte klasse, so viel stand fest. Nachdem Nick drei Stücke mit Sahne verdrückt hatte, beschloss er, seine Sachen in sein Zimmer zu bringen.
Die Angebote von Vater und Onkel, ihm zu helfen, lehnte er mit einem nicht unfreundlichen „Das krieg’ ich gerade noch allein hin“ ab.
Das Mühlenhaus verfügte über zwei Jugendzimmer unter dem ausgebauten Dach. Eines mit mangofarben gestrichenen Wänden, modernen Kiefernmöbeln, einer Schlafcouch und einer orientalischen Sonnenlampe an der zartgelben Decke: das Sonnenzimmer, in dem üblicherweise Gastkinder untergebracht wurden.
Und ein ähnlicher Raum in Blautönen gehalten, dessen Decke mit Foliensternen und einer Mondsichel beklebt war. Tagsüber konnte man diese kaum sehen, doch nachts leuchteten sie wie der gestirnte Himmel im Freien: das Mondzimmer, das sozusagen Nicks Zweitwohnsitz war, in dem sich eine Menge Kram angesammelt hatte in all den Jahren.
Zweimal ging Nick zum Wagen und schaffte nacheinander seinen Koffer, die Laptoptasche und die E-Gitarre hinauf. Danach schwitzte er und seine Hände klebten unangenehm. Er wischte sie am Hintern seiner Jeans ab und schaute sich neugierig um. Drüben, auf der gegenüberliegenden Seite, stand die Tür zum Sonnenzimmer auf.
Es schien leer und wirkte unbewohnt.
Nick betrat sein eigenes Zimmer, das zum Apfelgarten hin lag. Die frische Luft, die durch das geöffnete Fenster hereinströmte, hatte den Geruch von Marions Putzmittel noch nicht vollkommen vertreiben können. Eine Spur Zitronenduft lag in der Luft, nicht unangenehm und vertraut.
Obwohl er die Terrasse von hier aus nicht sehen konnte, hörte er das Stimmengemurmel und Gelächter. Keine deutlichen Worte, nur ein beständiges Summen wie von einem zufriedenen Bienenschwarm.
Im Mondzimmer war alles unverändert. Es gab einen älteren Fernseher und eine Musikanlage. Das Poster der Erdkugel
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