Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen
vom Weltraum aus gesehen, auf dem sie wie ein leuchtend blaues Juwel in samtiger Schwärze schwebte, gänzlich unbedrängt von zahllosen Satelliten, hing über der nachtblauen Schlafcouch.
Eine Sammlung Bücher stand in Reih und Glied im Regal. Nick brachte regelmäßig neue Schmöker mit, die sich zu denen im Regal gesellten, daher war jedes Lesealter vertreten. Daneben reihten sich drei, vier Computerspiele aneinander. Die Konsole war ein wenig veraltet, aber mehr als ausreichend für Nick, der hier eher selten daddelte.
Spielkarten, CDs, Komikhefte und andere Kinkerlitzchen verteilten sich in behaglicher Unordnung im Raum. Das Skateboard stand an seinem Platz, am Garderobenhaken neben der Tür hing sein Bademantel.
Es knackte vernehmlich im Gebälk, als würde das Mühlenhaus sich gemütlich zurechtrücken. Ein wohlbekanntes Geräusch. Nick grinste zufrieden.
Er machte sich ans Auspacken. Keine halbe Stunde später war er eingerichtet und brachte seine Gepäckstücke in dem Abstellraum unter, der sich zwischen der Bodentür und dem Badezimmer befand.
Da das Bienengesumm auf der Terrasse noch anhielt, beschloss er, sich die Hände zu waschen und wieder hinauszugehen.
Vielleicht war Lina ja zwischenzeitlich aufgetaucht. Er drückte die Kammertür ins Schloss, ging ins Bad – und erstarrte mitten in der Bewegung.
Da hockte ein Mädchen vor der Badewanne. Ein elfenhaft zartes Mädchen mit dichten, honigblonden Haaren, das kniend ein Handtuch nach dem anderen aus dem Schrank unter dem Waschbecken zerrte und in die Wanne häufte.
Das konnte nur Lina sein.
Ihre Augen waren eher grau als grün, wie von Morgentau überkrustetes Gras. Groß schwammen sie in einem blassen Gesicht, so groß und rund, dass sie denen einer Mangafigur glichen. Sie starrten ins Nirgendwo.
Leblos, fand Nick, wie bei einer Filmleiche.
Ihre Hände arbeiteten mechanisch – den Handtüchern folgten Waschlappen. Badetücher. Die Wäsche türmte sich bald bis zum Rand. Erst als der Schrank leer war, verharrte das Mädchen. Bewegungslos wie eine Maschine, die ihr Programm abgespult, ihre Arbeit beendet und sich abgeschaltet hatte.
Das unbeschwerte Bienengesumm, das weiter in der Stille schwirrte, erlöste Nick aus seiner Versteinerung. Er musste irgendetwas tun, irgendetwas sagen, einen Satz nur, ein Wort.
„Hi“, krächzte er. Unendlich langsam wandte Lina ihren Kopf in seine Richtung und ihm fiel auf, wie hübsch sie war.
Lina kam auf die Beine. Sie drückte sich mit dem Rücken flach gegen die gekachelte Wand und schaute ihn aus ihrem Mangagesicht stumm an.
Nick erinnerte sich, dass Herr Guth einmal mit der Hundeleine auf Nero eingeschlagen hatte, der noch ein Welpe gewesen war und nicht aufs Wort gehorchte. Der junge Cockerspaniel duckte sich völlig verängstigt und kauerte sich jaulend zusammen – bis Nicks Vater aus dem Haus stürmte und aufgebracht dazwischenging. Er drohte Guth mit einer Anzeige und redete anschließend beruhigend auf das zitternde Tierchen ein.
Der geschundene Nero hatte den gleichen Blick in den feuchten Augen gehabt wie jetzt Lina.
Nick schluckte. „Hi“, sagte er ein zweites Mal. „Ich bin Nick. Der Neffe von Marion und Thomas. Ich wohne hier. Während der Ferien. Da.“ Er deutete in Richtung Mondzimmer. „Das ist mein Zimmer.“
Nichts geschah.
„Du musst Lina sein.“ Er machte einen vorsichtigen Schritt auf das Waschbecken zu. Lina wich noch weiter zurück, ganz so, als wollte sie in das Mauerwerk kriechen und mit den Fliesen verschmelzen.
Nick sah, dass sie noch blasser wurde. Unwillkürlich kam ihm die Redewendung „ihr wich alles Blut aus dem Gesicht“ in den Sinn.
„Ich wasche mir nur die Hände“, erklärte er in beruhigendem Ton. „Alles klar? Ich mach’ ganz schnell.“
Er drehte den Hahn auf. Wasser schoss silbrig in das Becken. Es spritzte ein wenig und verschwand gluckernd im Ausguss.
Linas Atem ging schneller. Sie starrte auf den Strahl, als wäre er aus einer gefährlichen Säure, mit der Nick sie verätzen wollte. Dann streckte sie eine bebende Hand aus und drehte den Hahn zu.
Sie sagte nichts, aber er sah Tränen aufsteigen, die sie mit den Handrücken von ihren Wangen wischte, ehe sie heruntertropfen konnten. Wieder und wieder, immer fahriger, immer krampfhafter. Ihr Oberkörper begann zu zucken, und obwohl sie sichtbar darum kämpfte, jeden Laut zu unterdrücken, sickerte ein Stöhnen zwischen ihren Lippen hindurch und wurde zu einem Wimmern.
Dann sackte Lina in
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