Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen
nicht anders: Er fand dieses Verhalten einfach, nun ja – verrückt.
Er erwartete eine der üblichen Abhandlungen von Marion zu bekommen, über das mitunter seltsame Verhalten traumatisierter Jugendlicher oder dergleichen. Jedoch zuckte seine Tante bloß resigniert die Schultern.
Was soll man von dem Irrsinn halten?, fragte sich Nick. Das ist einfach zum Davonlaufen!
Warum er das erneute Angebot seiner Eltern, lieber mit ihnen in den Schwarzwald zu fahren, trotzdem ablehnte, hätte er nicht erklären können. Aber irgendetwas in Linas Augen hatte ihm das Herz gebrochen.
Und so stand er zwischen Marion und Thomas, winkte der sich entfernenden Familienkutsche nach, bis sie nicht mehr zu sehen war und nur noch hauchfeine Staubschleier zurückließ.
Von Lina war nicht einmal ein Haar zu entdecken. Sie reagierte auch auf kein Rufen. Weder auf das von Thomas noch auf Marions und auf Nicks schon gar nicht. Also erklärte Nick, dass er zu der Feriensiedlung „Windberg“ fahren wollte, um seine Freunde zu begrüßen.
Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden. Und so holte er sein Rad aus der Garage. Sobald er in die Siedlung einbog und an den kleinen Bungalows vorbeirollte, hörte er Geschrei vom Bolzplatz. Er fuhr darauf zu, ließ sein Fahrrad neben einigen anderen ins Gras fallen und ging zum Spielfeld, wo man ihn kreischend und mit Hallo empfing. Ohne Umschweife wurde er in die Mannschaft eingegliedert.
Zehn Jungen rannten über den Rasen. Fünf in der einen, fünf in der anderen Mannschaft. Der Torwart, Florian Berg, den alle Everest nannten, stand im rechten Tor, der lange Julius im linken.
Die meisten von Nicks Freunden waren geradezu in die Höhe geschossen, seit er sie zuletzt gesehen hatte. Außerdem war Max’ Zahnspange verschwunden. Luis trug eine Brille und Tim und Miroslav, kurz Miro gerufen, hatten jetzt Stoppelfrisuren.
Und noch eine Sache hatte sich verändert: Einige Mädchen saßen auf der Wiese am Spielfeldrand und schauten ihnen zu.
Nick konnte ihre hellen Stimmen und ihr Lachen bis auf den Platz hören. Er versuchte Miros Coolness zu imitieren, genauso schnell wie Max zu rennen und, die Hände locker in die Hüften gestemmt, nicht weniger herausfordernd auf den Platz zu spucken, als Luis es tat.
Leider schoss er kein Tor.
Aber das machte nichts, denn zum Ende des Spiels stand es eh nur eins zu eins, da sowohl Everest als auch Julius in Bestform waren.
Anschließend gingen sie zum Kiosk, kauften Getränke und Eis und gesellten sich zu den Mädchen.
Miro zog ein zerdrücktes Päckchen Zigaretten aus seiner Jeans. Er zündete sich eine an und reichte es weiter, ehe er den Rauch in die Abenddämmerung entließ. Ebenso Julius, Everest, Luis und drei der Mädchen: Vanessa und die Zwillingsschwestern Melania und Bianca – Halbitalienerinnen, deren Namen „die Schwarze“ und „die Weiße“ bedeuteten, wie sie einmal in der Clique erzählt hatten. Und das, wo sie mit Nachnahmen Grau hießen! Ein Umstand, den Nick genauso affig fand wie die beiden aufgebrezelten, shoppingsüchtigen Mädchen, die kichernd in ihrer kindischen Löffelchensprache tuschelten, was er schon seit der sechsten, siebten Klasse nicht mehr tat. Wie sie dasaßen und wichtigtuerisch pafften. Dabei nahmen sie noch nicht einmal Lungenzüge! Aber Hauptsache die Welle machen.
Nick reizte das Rauchen nicht. Einmal hatte er mit Luki und Marvin hinter Yilmaz’ Taubenschlag eine Gauloise ohne Filter geraucht, die Marvin seinem Vater geklaut hatte. In der harmlos aussehenden, babyblauen Zigarettenschachtel mit dem geflügelten Helm drauf waren noch genau drei Stück gewesen.
Marvin zeigte ihnen, wie man den Rauch inhalierte – Nick war nach dem ersten Zug nicht nur kotzübel und schwindlig geworden, er konnte auch nicht mehr aufhören zu husten.
Obwohl Marvin und Luki ebenfalls grünlich angelaufen waren, rauchten sie seitdem hin und wieder eine. Ohne dass sie kotzten oder sich ihre Gesichtsfarbe änderte, das musste Nick zugeben. Seine Raucherkarriere hingegen war vorbei gewesen, bevor sie begonnen hatte.
„Nee, bin Sportler“, lehnte er jetzt ebenfalls ab.
„Er hat recht“, schloss Max sich seiner Meinung an. „Das ist nix für Sportler.“ Die Nase rümpfend schielte er zu den Mädchen. „Außerdem stinkt’s und macht gelbe Zähne.“
Melania und Bianca kicherten darüber. Aber Nick bemerkte, wie Vanessa rosa anlief. Sie tat zwar gleichgültig, drückte die Zigarette jedoch bald aus. Immer wieder wandte sie ihr
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