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Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen

Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen

Titel: Der Sommer mit dem Erdbeermaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwigs
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vorbeikommen würden, um ihn ins Freibad abzuholen.
    Dort verbrachten sie einen wirklich fantastischen Tag! Gemeinsam mit den Mädchen – aber ohne das Mädchen, neben dem Nick am liebsten auf der Decke gesessen und sie zum Lachen gebracht hätte: Lina Saizew.
    Am späten Mittag kehrte Nick bester Laune und voller Tatendrang zurückt. Bester Laune, weil es ein chilliger Ferientag gewesen war. Und voller Tatendrang, weil er sich überlegt hatte, wie er bei Lina ab sofort vorgehen wollte.
    Ich werde mich mit ihr unterhalten und mich ganz normal benehmen, hatte er beschlossen. Als wäre die Situation völlig alltäglich. Immer weiter reden und so tun, als würde sie mir zuhören oder sogar antworten.
    Zugegeben, nicht gerade ein Masterplan. Eigentlich kaum als Plan zu bezeichnen. Aber immerhin war er bei dieser Methode wenigstens nicht zum Nichtstun verdammt!
    Zum Mittagessen trug er zwei Teller Nudelsalat mit Hühnchen in das Sonnenzimmer. Geräuschvoll trat er bei Lina ein und setzte das Tablett auf dem Tischchen ab.
    Sie hockte mit gesenktem Kopf auf der Schlafcouch, als wäre kein Leben in ihr.
    Nick begann zu essen. Dabei erzählte er zwischen den einzelnen Bissen betont munter von seinem Tag im Schwimmbad. Vom Sprungturm und der Wasserrutsche. Wie die Mädchen kreischend davongestoben waren, wenn die Jungen sie mit Händen voll Wasser bespritzten oder wie sie mit langen Hälsen schwammen, damit ihre Schminke nicht verlief. Und von dem Wettkraulen mit Miro, das er, Nick, für sich hatte entscheiden können. Ja, wie viel Spaß man im Wasser und mit anderen Leuten haben konnte!
    Lina schaute nicht mal auf.
    Das macht doch alles keinen Sinn, erkannte Nick geschlagen. Ich verschwende hier meine Zeit. Die ist ja gar nicht mehr in dieser Welt.
    Als er ihr Zimmer verließ, saß sie nicht mehr mit hängendem Kopf auf dem Sofa, sondern hockte im Bettkasten.
    Hoffnungslos.
    Nick griff nach seiner Gitarre und versuchte sich an dem Gitarrensolo von Zakk Wylde aus einem seiner Lieblingsstücke der Rockmusik: „No More Tears“ von Ozzy Osbourne. Und er war gar nicht mal schlecht! Während er sich auf das Instrument und seine Finger konzentrierte, ging ihm auf, dass er Lina doch noch nicht aufgegeben hatte.
    Genau aus diesem Grund spielte er das hier doch wohl, und genau aus diesem Grund sah er auch ihre hellgrauen, todtraurigen Augen vor sich, die er liebend gern zum Glänzen bringen wollte.
    Er presste die Kiefer aufeinander. Eine durch und durch schwierige Mission. Mission Impossible, grinste er mit einem Anflug von Galgenhumor in sich hinein.
    Während er Musik machte, wurde er allmählich ruhiger. Sogar Optimismus keimte widersinnigerweise in ihm auf. Er legte die Gitarre zur Seite. Draußen, vor seinem Zimmer, knackten die hochbetagten Holzdielen, wie es der Fall war, wenn jemand darüber ging.
    Marion und Thomas gossen im Garten die Blumen, das wusste er genau. Eine Minute lang fixierte er die Tür. Dann stand er auf, öffnete sie, schaute hinaus.
    Keine Menschenseele.
    Sorgsam auftretend, damit sie seine Schritte nicht hören konnte, schlich er zu Linas Tür. Sie war verschlossen, wie erwartet. Aber drinnen summte Lina. Er kannte das Lied. Es war der Song, den er eben gespielt hatte. Und sie hörte nicht auf, die Melodie zu summen.
    Nick lehnte die Stirn gegen das Holzblatt. Sein Kopf schien mit einem Mal ganz leicht. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand unverhofft eine gute Nachricht überbracht.
    Später am Abend saß er mit Marion und Thomas bei einer Runde Scrabble auf der Terrasse. Obwohl sie Lina dazu mehrmals eingeladen hatten, kam das Mädchen nicht. Als es Zeit wurde, nach oben zu gehen, spielte Nick noch einmal „No More Tears“. Dabei ließ er absichtlich die Tür zum Mondzimmer aufstehen.
    Und dann geschah es. Stück für Stück öffnete sich die Tür des Sonnenzimmers. Ohne Nick direkt anzusehen, erschien Lina im Rahmen. Wieder summte sie die Melodie mit, und er, er konnte seine Augen einfach nicht von ihr wenden.
    Als das Lied zu Ende war, schloss sie ihre Tür. Sie tat es mit ausdrucksloser Miene, als wäre nicht das Geringste passiert.
    Aber das war es.
    Nick hatte einen Weg zu Lina gefunden, indem er eine Brücke aus Musik schlug. Und sie hatte den ersten Schritt darauf getan.
    Musik, dachte er, ist eine logische Sprache, die jeder Mensch versteht. Eine Note wird überall auf der Welt gleich gespielt. Melodien können Trauer, Freude, Ausgelassenheit, Wut, Melancholie oder einfach Spaß ausdrücken.

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