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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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einem Reinigungsmittel oder einem Toilettenspray.
    Luke lachte erleichtert auf. Es gab eine simple Erklärung: Die Wirtin musste nach dem Putzen vergessen haben, die Tür richtig zu schließen.
    Er war bereits auf dem Weg zu der kleinen Küchenzeile, als sich ihm die Nackenhaare sträubten. So geräuschlos wie möglich stellte er die Einkaufstüte ab, ohne die Badezimmertür aus den Augen zu lassen.
    Da war jemand.
    Luke fehlte die Zeit, nach einem Messer oder einer Schere zu suchen, um sich verteidigen zu können. Außerdem wusste er nicht, ob die Schubladen quietschten. Er durfte keinesfalls Lärm machen.
    Jetzt konnte er sogar riechen, dass jemand in der Nähe war. Es war kein spezifischer Geruch, eher die deutliche physische Wahrnehmung eines anderen Körpers. Adrenalin schoss durch seine Blutbahn. Seine Nerven spannten sich wie Geigensaiten.
    Auf Zehenspitzen schlich er zur Tür. Er atmete ganz flach. Dennoch hatte er das Gefühl, wie ein schnaufendes Nilpferd über den Boden zu stampfen.
    Durch den Türspalt konnte er die linke Hälfte des Badezimmerfensters erkennen und einen Teil der weißen Handtuchheizung, an der ein frisches Badetuch hing. Er hielt den Atem an.
    Wenn jemand hier eingedrungen war, musste er Luke gehört haben. Womöglich lauerte er hinter der Tür, um sich auf ihn zu stürzen, sobald er das Zimmer betrat. Wahrscheinlich sogar, denn es war die einzige Stelle, an der er sich verstecken konnte.
    Luke sammelte sich und trat mit aller Kraft gegen die Tür, die aufflog und scheppernd gegen das Waschbecken krachte. Im nächsten Moment war er in den Raum gestürmt und stand jetzt da, geduckt, die Fäuste erhoben.
    Die Frau saß auf dem Bidet, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Der leicht nach links geneigte Kopf war ihr tief auf die Brust gesunken und das schulterlange Haar hing wie ein goldener Schleier vor ihrem Gesicht. Zu ihren Füßen hatte sich eine Blutlache auf den weißen Fliesen gebildet.
    Der Geruch des Bluts stieg Luke in die Nase. Ihm wurde schlecht.
    Er wich zurück. Dachte an das kleine Mädchen. Wie sollte es den Verlust seiner Mutter jemals verkraften?
    Du musst nachprüfen, ob sie noch lebt, sagte ihm sein Verstand.
    Sein Gefühl riet ihm das Gegenteil.
    Er hatte Angst davor, die Frau anzuschauen. Angst, ihrem toten Blick zu begegnen. Oder sie, falls sie noch lebte, hilflos röcheln zu hören.
    Tu es endlich!
    Als er behutsam ihren Kopf anhob und ihre Haare Gesicht und Oberkörper freigaben, bemerkte er, dass die hellblaue Leinenhose und die weiße Bluse sich mit Blut vollgesogen hatten. Er erkannte die Stellen, an denen das Messer eingedrungen war.
    Das Messer.
    Die Klinge rot verschmiert.
    Es lag auf ihrem Schoß, und das erschütterte Luke mehr als alles andere.
    Ein Fuß der Frau steckte noch in einer schwarzen Sandale, der andere war nackt und verdreht. Die zweite Sandale lag einen halben Meter abseits. Sie war auf die Seite gekippt. Einer der schmalen Riemen war an der Nahtstelle eingerissen.
    Erst nachdem Luke all dies registriert hatte, wagte er es, der Frau ins Gesicht zu blicken.
    Das erste Gefühl, das ihn überkam, war pure Erleichterung. Das hier war nicht seine Zimmerwirtin. Es war nicht die Mutter des kleinen Mädchens. Sie sah ihr nicht einmal ähnlich und war auch viel jünger, kaum älter als er selbst.
    Dann nahm Luke wahr, wie bleich ihr Gesicht war und wie leuchtend rot im Kontrast dazu der Lippenstift, mit dem sie ihre Lippen nachgezogen hatte, und er schämte sich seiner Erleichterung.
    Ihre Augen waren geschlossen, aber nicht ganz, sodass es schien, als würde sie ihn durch einen schmalen Spalt beobachten. Luke hielt ihr Gesicht in beiden Händen. Die Haut war warm und weich und machte ihm Hoffnung, dass noch Blut durch die Adern floss.
    »Hallo«, sagte er sanft. »Hörst du mich?«
    Sie reagierte nicht.
    Oder war der Kopf in seinen Händen ein wenig schwerer geworden?
    Hinter den halb geöffneten Lippen schimmerten ihre Zähne. Luke bemerkte jetzt, dass sie den Lippenstift hastig aufgetragen haben musste oder aber sehr ungeschickt, denn er reichte an manchen Stellen über die natürlichen Konturen der Lippen hinaus.
    Oder jemand anders hatte sie geschminkt.
    Vorsichtig ließ Luke ihren Kopf gegen die Wand sinken. Er suchte ihren Puls an der Halsschlagader, dann am Handgelenk. Ihre Nägel waren so kurz, dass ein Teil des Nagelbetts freilag.
    Da. Ein leichtes Pochen.
    Luke wollte schon aufspringen, um Hilfe zu holen, als er bemerkte, dass er seinen

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