Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
sich den Pulli zurecht und überlegte, wo er etwas zu essen bekommen konnte. Es war kurz nach acht und die ersten Wagen fuhren auf den Parkplatz. Die Leute hoben Badetaschen aus dem Kofferraum und verschwanden in einem Gebäude, in dem Luke ein Schwimmbad vermutete.
    Bestimmt konnte man dort auch duschen, aber ihm war unbehaglich zumute bei dem Gedanken, seine Sachen in einem dieser lächerlichen Schließfächer zurückzulassen, die mit einem einzigen Handgriff zu knacken waren.
    Noch war es kalt, doch der Himmel versprach einen schönen Tag. Luke ließ den Wagen stehen und lief zum Deich zurück. Die Hände in den Taschen seiner Jacke vergraben und den Kragen hochgeschlagen, marschierte er auf dem Deichkamm in Richtung Hafen.
    Die bunten Fischerboote und die hübschen kleinen Backsteinhäuser wirkten im ersten Sonnenlicht wie fröhliche Accessoires, die jemand zur Dekoration in die Landschaft gesetzt hatte. Die ersten Urlauber führten ihre Hunde aus, die ersten Jogger kreuzten seinen Weg. Der Duft frisch gebackener Brötchen lag in der Luft.
    Luke fand ein Café, in dem er ein Frühstück bestellte. Er hatte sich für einen Platz am Fenster entschieden, von wo aus er den Hafen im Blick behalten konnte. Der Schock hatte ihn zwei Tage lang umklammert und ihm sämtliche Energie geraubt. Luke war so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass er bei seiner Irrfahrt überhaupt nicht mehr darauf geachtet hatte, ob ihm jemand gefolgt war.
    Das durfte sich nicht wiederholen.
    Die Brötchen waren noch warm. Das Rührei mit Krabben dampfte auf dem Teller und der Kaffee war heiß und stark. Luke bemühte sich, langsam zu essen, dabei hätte er das Frühstück am liebsten mit bloßen Händen in sich hineingeschaufelt. Es war, als wäre er nach einer langen Grippe wieder auf dem Weg der Genesung. Als dürfte er nach Tagen des Fastens endlich wieder etwas zu sich nehmen.
    Nachdem der erste Hunger gestillt war, kehrten Lukes Gedanken nach Hildesheim zurück.
    Nummer zwei.
    Die Worte auf dem Badezimmerspiegel konnten nur eines bedeuten: Es würde eine Nummer drei und eine Nummer vier geben und wer weiß wie viele noch. Und für all diese Verbrechen wäre er mitverantwortlich.
    Er hatte keine Ahnung, wie er diesen Wahnsinn stoppen konnte.
    Ein prüfender Blick über den Hafen zeigte ihm nichts Ungewöhnliches. Aber was hieß das schon? Wer sagte denn, dass nicht unter den Fischern, die sich an den Booten zu schaffen machten, welche von Kristofs Leuten waren? Wie sollte er sicher sein, dass nicht Kristof selbst einer der Urlauber war, von denen einige an diesem ungewöhnlich kalten Morgen, der bereits den nahen Herbst erahnen ließ, die Kapuzen ihrer Jacken über den Kopf gezogen hatten?
    Kristof hatte sich bereits als Kind an der Angst anderer Menschen geweidet. Ihre Panik zu beobachten, hatte ihm einen Kick verschafft.
    Und jetzt spielte er mit Luke. Das letzte Spiel.
    Noch einmal überdachte Luke seine Möglichkeiten. Sich an die Bullen zu wenden, kam nach wie vor nicht infrage. Die Macht der Organisation hörte nicht an den Gefängnismauern auf. Sie reichte bis in die führenden Polizeietagen.
    Jozefina hatte den Fehler gemacht, sich der Polizei anzuvertrauen.
    Nie würde Luke das Entsetzen in ihren Augen vergessen, nachdem man ihr mitgeteilt hatte, ihre Freundin Magda sei aus dem Fenster gesprungen.
    »Sie hat sich nicht umgebracht«, hatte sie geflüstert und sich ängstlich umgeschaut.
    Dabei waren sie eigens zum Staudamm rausgefahren, um ungestört miteinander reden zu können.
    »Magda hat Probleme gehabt, ja, aber sie hätte niemals Selbstmord begangen. Nie. Und selbst wenn – sie hatte Höhenangst, Alex. Sie konnte nicht mal auf eine Leiter klettern, ohne Panik zu kriegen.«
    Jozefinas Freundin war nicht das erste Mädchen gewesen, das unter sonderbaren Umständen gestorben war. Sie war jedoch das erste dieser Mädchen gewesen, das Luke besser gekannt hatte.
    Sie alle kamen aus Osteuropa, die meisten aus Tschechien. Man hatte ihnen Arbeit versprochen oder auch die Ehe mit einem gut situierten Mann, doch sobald sie in Deutschland waren, nahm man ihnen die Pässe ab und zwang sie zur Prostitution.
    Leo hatte sich in diesem miesen Handel als Zwischenhändler betätigt. Er hatte die Mädchen in Deutschland in Empfang genommen und weitervermittelt.
    Bis zu Magdas Tod hatte Luke nichts davon gewusst. Leo war der Meinung gewesen, er sei zu weich für diese Geschäfte. Außerdem war Luke mit Jozefina zusammen. Da war es

Weitere Kostenlose Bücher