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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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besser, wenn er nicht zu viel erfuhr.
    Kristof jedoch war nicht so zart besaitet. Er verschwand oft für mehrere Tage, über die er eisern Stillschweigen bewahrte. Erst später stellte sich heraus, dass er mitgeholfen hatte, die Mädchen an die für sie bestimmte Adresse zu schaffen.
    Jozefina war keines dieser Mädchen gewesen, aber auch sie stammte aus Tschechien und hatte noch Familie dort. Manchmal kamen Verwandte oder Freundinnen zu Besuch nach Deutschland und wohnten dann für ein paar Tage bei Jozefina, ihren Eltern und Geschwistern.
    Eine dieser Freundinnen war Magda gewesen.
    Sie hatte sich in Kristof verliebt und war seinetwegen in Deutschland geblieben. Kristof hatte sich eine Weile mit ihr vergnügt und sie dann ins Ruhrgebiet abgeschoben, in ein angeblich feines Restaurant in Bochum, das sich später als eine schmuddlige Bar im Rotlichtmilieu entpuppte.
    Magda hatte Jozefina noch ein paar Mal angerufen. Jedes Mal hatte sie deprimierter geklungen. Am Morgen ihres zwanzigsten Geburtstags war sie aus dem Fenster gesprungen.
    Das war die offizielle Version.
    Jozefina hatte sich nicht von Luke zurückhalten lassen. Mit wilden Mordtheorien im Gepäck war sie nach Bochum gereist, hatte mit beiden Händen im Dreck gewühlt und gefährliche Wahrheiten zutage gefördert. Nach ihrer Rückkehr hatte sie Kristof und Leo beschuldigt, Magda auf dem Gewissen zu haben. Weinend hatte sie ihnen angedroht, zur Polizei zu gehen.
    Auf dem Weg dahin war sie mit dem Fahrrad verunglückt.
    Ein Lastwagen hatte sie angefahren.
    Sie war auf der Stelle tot gewesen.
    Nicht eine Sekunde lang hatte Luke an einen Unfall geglaubt. Er hatte Kristof beim Kragen gepackt und ihm seinen Verdacht ins Gesicht geschrien.
    Kristof hatte ihn weggestoßen.
    »Willkommen im richtigen Leben«, hatte er lapidar entgegnet.
    Leo war Lukes Blick ausgewichen. Wenn Leo sich aufregte, schwitzte er, und wenn er log, schob er das Kinn nach vorn. Luke hatte das oft beobachtet. Er sah es auch an jenem Tag, als er ihn zur Rede stellte.
    »Ich würde doch nicht dein Mädchen … Gott im Himmel! Dein Misstrauen tut mir weh, Junge. Habe ich das verdient?«
    Leos Augen schwammen in Tränen. Schweiß trat ihm auf die Stirn.
    Und dann schob sich sein Kinn nach vorn.
    Augenblicklich wusste Luke, dass sie ihm Jozefina genommen hatten.
    Niemand verriet die Organisation . Niemand legte sich mit ihr an. Keiner, der es je versucht hatte, war mit dem Leben davongekommen.
    Luke verkroch sich ins Bett. Zog sich die Decke über den Kopf und dachte an Jozefina. Er machte nicht auf, wenn es klingelte. Er ging nicht ans Telefon. Er aß und trank nicht.
    Er wollte sterben.
    Doch nach ein paar Tagen stellte er fest, dass er immer noch lebte. Er hatte zehn Kilo abgenommen und so viel geweint, dass keine Tränen mehr in ihm waren.
    Draußen schien die Sonne.
    Als wär nichts gewesen.
    Im Garten kam Leo ihm freudestrahlend entgegen, wie der Vater dem verloren geglaubten Sohn. Sogar Kristof hatte ein Lächeln auf dem Gesicht.
    Aber alles hatte sich verändert. Luke hatte sich verändert. Etwas in ihm hatte begriffen, dass der Tod seiner Eltern ebenso wenig ein Unfall gewesen war wie Jozefinas Tod.
    Am nächsten Tag war er zu den Bullen gegangen.
    Doch anders als Jozefina war er nicht mehr in Leos Haus zurückgekehrt.
    Luke schüttelte die Erinnerungen ab. Er schenkte sich noch eine Tasse Kaffee ein. Nein, die Polizei konnte nichts mehr für ihn tun.
    Sein Blick fiel auf das neue Handy, das vor ihm auf dem Tisch lag, eines von mehreren Prepaid-Exemplaren, die er nach Bedarf wechseln konnte. Das alte lag im Müllcontainer irgendeines Rasthofs oder war längst auf der Müllkippe gelandet.
    Luke musste sich zusammenreißen, um nicht Jette anzurufen. Er hatte Angst zu vergessen, wie ihre Stimme klang, Angst, sich nicht mehr an ihre Berührungen erinnern zu können.
    Wann hatte sie das letzte Mal mit den Fingerkuppen Linien auf seine Haut gemalt?
    Beschwörungsformeln der Liebe.
    »Denkst du an mich?«, flüsterte er.
    Wie konnte er sich das wünschen? Wo es für Jette doch lebenswichtig war, ihn zu vergessen.
    Kannst du das?
    Mich vergessen?
    Was tat sie gerade? Saß sie mit den andern beim Frühstück? Machte sie sich Sorgen? War sie wütend? Traurig? Vermisste sie ihn?
    Imke Thalheim hatte recht gehabt mit ihrer anfänglichen Skepsis.
    Er hatte Jette kein Glück gebracht.
    Luke sah aus dem Fenster, hinaus auf die trügerische Idylle des kleinen Hafens. Die Sonne war schon kräftiger

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