Der Sommerfaenger
starrte sie ihn an. Er zog das Foto aus der Tasche.
»Lukas Tadikken?«, fragte sie ein wenig atemlos.
Sie hatte ihn jetzt schon ein paar Mal angenehm überrascht, und Bert stellte fest, dass er anfing, gern mit ihr zusammenzuarbeiten. Es war ein ungewohntes Gefühl für ihn, den bekennenden Einzelgänger.
»Ja. Imke Thalheim hat es mir gegeben. Deshalb war ich heute früh kurz bei ihr.«
Er zögerte.
»Das nächste Mal sage ich Ihnen Bescheid. Damit Sie locker sämtliche Geschütze zu meiner Verteidigung auffahren können.«
»Okay.« Sie lächelte ihn strahlend an. »Dann schicke ich jetzt das Foto an den Kollegen Spengler.«
Bert trank in Ruhe den Kaffee aus, bevor er in sein Büro ging und sich an den Computer setzte, um seine Mails zu checken. Wie lange würde Karsten Spengler brauchen? Eine Stunde? Zwei? Hoffentlich traf er die Vermieterin des Ferienapartments an.
Das Ergebnis entschied darüber, ob sie Lukas Tadikken weiterhin als Zeugen suchen oder nach ihm als dringend Tatverdächtigem fahnden lassen würden.
*
Hier wohnen die Meusers stand auf dem farbenprächtigen, offenbar selbst getöpferten Namensschild an der Tür. Die junge Frau, die Jette und Merle aufmachte, trug ein kleines Mädchen auf der Hüfte. Das Kind schien gerade erst wach geworden zu sein. Seine Augen waren noch von Schlaf verschleiert und klappten immer wieder zu.
Es nuckelte an einem gelbschwarz gestreiften Schnuller und registrierte Merles Zwinkern mit todernster Miene.
»Meine Tante hat Sie schon angemeldet.« Frau Meuser lächelte zurückhaltend. »Aber ich weiß nicht, ob ich Ihnen weiterhelfen kann.«
Jette zeigte ihr Lukes Foto und steckte es schnell wieder ein, als das kleine Mädchen, plötzlich hellwach, aufgeregt auf Luke zeigte und laut »dadada!« rief.
Frau Meuser versuchte, ihre Tochter zu beruhigen.
»Ja«, sagte sie, »das ist … er hat … obwohl ich es nicht glauben kann. Er war nicht …«
Die Kleine strampelte auf ihrem Arm, und die Mutter setzte sie ab und sah ihr nach, wie sie auf ihren pummeligen Beinchen ins Haus watschelte. Dann drehte sie sich wieder zu den Freundinnen um.
»Wollen Sie einen Moment hereinkommen?«
Das Haus war hell und modern eingerichtet. An dem überall herumliegenden Spielzeug erkannte man auf den ersten Blick, dass eine junge Familie hier wohnte. Die Kleine saß in der Küche auf einer bunten Patchworkdecke auf dem Boden und sah sich ein Bilderbuch an, wobei sie unaufhörlich vor sich hinbrabbelte.
Sie hielt einen Plüschelefanten im Arm. Wahrscheinlich las sie ihm vor.
»Der Elefant und das Buch sind Geschenke von … ihm«, erklärte Frau Meuser mit gedämpfter Stimme. »Er hat sie auf den Tisch gelegt, als er … gegangen ist. Meine Tochter hat sie gesehen, und da konnte ich sie ihr nicht mehr vorenthalten. Sie hat ihn sehr gemocht, obwohl sie normalerweise eigentlich nicht so vertrauensselig ist.«
Jette schluckte und kämpfte gegen ihre Rührung an. Merle beschloss, das Heft in die Hand zu nehmen.
»Mit welchem Namen hat er sich bei Ihnen vorgestellt?«, fragte sie.
»Haller. Der Vorname war Markus oder Marten.«
»Als er verschwunden ist, hat er da all seine Sachen mitgenommen?«
Frau Meuser nickte.
»Er hatte ja kaum Gepäck bei sich. Er sei auf der Durchreise, hat er gesagt. Er wollte sich nicht festlegen, wie lange er bleiben würde.«
»Und von unterwegs hat er Sie dann angerufen?« Jette hatte sich wieder gefangen. »Was hat er gesagt? Wie hat er sich angehört?«
Ihr Gesicht war blass vor Sorge um diesen Kerl, der wahrscheinlich längst einer andern schöne Augen machte.
Reiß dich zusammen, dachte Merle. Sei nicht unfair.
Sie wusste herzlich wenig über Luke, denn wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie ihm nie eine echte Chance gegeben hatte. Aus lauter Sorge um ihre Freundin hatte sie sich aufgeführt wie die hinterletzte Prinzipienreiterin. Die schwierige Beziehung mit Claudio hatte ihre Objektivität nicht nur getrübt, sie hatte sie regelrecht zerschmettert.
»Er hat anscheinend aus dem Auto angerufen. Die Verbindung war schlecht und er musste ziemlich laut sprechen. Ich hatte den Eindruck, dass er … unter Schock stand. Er wirkte … ungläubig. Fassungslos.«
Die Kleine rappelte sich auf, presste den Elefanten an die Brust, stand eine Weile unschlüssig da und wackelte dann zielstrebig auf Jette zu.
»Dadada?«, sagte sie und zeigte auf Jettes Tasche, in der das Foto von Luke verschwunden war.
Jette sah fragend zu
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