Der Sommerfaenger
Ergebnisse der Spurensicherung vorliegen. Haben Sie einen Moment Zeit?«
Bert lehnte sich an seinen Wagen. Er telefonierte nicht gern im Gehen. Wenn nicht gerade die Verkehrsgeräusche das Verständnis erschwerten, vernuschelten die Laufbewegungen einem die Stimme.
Während er dem Hildesheimer Kollegen mit wachsender Erregung zuhörte, speicherte sein Gehirn die Informationen und legte sie an den richtigen Stellen ab.
»Bingo«, sagte Karsten Spengler. »Die Fingerabdrücke aus der Wohnung von Albert Kluth und Lukas Tadikken stimmen mit Abdrücken überein, die in dem hiesigen Ferienapartment sichergestellt worden sind.«
»Das bedeutet aber noch nicht …«
»…dass sie von Lukas Tadikken stammen«, bestätigte Karsten Spengler. »Es heißt lediglich, dass ein und dieselbe Person sich an beiden Orten aufgehalten hat und dass …«
»… es sich bei dieser Person mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Täter handelt«, beendete Bert nun seinerseits den Satz des Kollegen.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit.
Wie viel Hoffnung steckte in diesen drei Worten. Und wie oft schon war eine Ermittlung an ihnen gescheitert. Die Wahrscheinlichkeit konnte die Arbeit an einem Fall in eine Richtung lenken, aber was sie brauchten, waren Beweise.
»Die Obduktion hat ergeben, dass acht Mal mit einem spitzen Gegenstand auf Lisa Darwisius eingestochen wurde. Einer der Stiche traf das Herz und war tödlich.«
»Acht Stiche? Das lässt auf Wut schließen.«
»Oder auf Verzweiflung.«
»Es kann sich auch um eine bewusste Inszenierung handeln«, gab Bert zu bedenken. »Der Täter will von seinen wahren Gefühlen ablenken und täuscht andere vor.«
»Möglich.«
Eine Weile schwiegen sie. Es gefiel Bert, dass Karsten Spengler zu der ruhigen Sorte Mensch gehörte, die nicht die Hälfte der Zeit mit überflüssigen Worten verschwendete.
»Wir befragen das Umfeld der Toten«, berichtete Spengler dann weiter. »Familie, Freunde, Kommilitonen, Nachbarn. Und natürlich die Bewohner des Kalenberger Grabens, wo der Mord passiert ist. Das Übliche eben. Bisher leider ohne Erfolg. Die junge Frau war nicht besonders umtriebig. Sie hat den größten Teil ihrer Zeit dem Schreiben gewidmet. Davon scheint sie besessen gewesen zu sein.«
»Was haben Sie über den Gast des Apartments herausgefunden?«, fragte Bert. »Diesen Haller?«
»Wir haben Beschreibungen seines Äußeren, aber die gehen leider ziemlich auseinander. Die Pensionswirtin beispielsweise schildert ihn als mittelgroß. Ihre Nichte, die Vermieterin des Ferienapartments, besteht darauf, er sei groß gewesen. Die eine hat seine Haarfarbe als dunkel bezeichnet, die andere als eher hell. Sie kennen das ja.«
»Ich bin auf dem Weg zum Büro«, sagte Bert. »In fünf Minuten kann ich Ihnen ein Foto von Lukas Tadikken mailen.«
»Großartig. Ich lege es den beiden Frauen vor und rufe Sie wieder an. Sollten sie in Lukas Tadikken diesen Haller erkennen, dann ist er unser Mann.«
»Vieles spricht dafür.«
Berts nächster Schritt wäre es gewesen, die Kollegen von der Spurensicherung zu Imke Thalheim und Kerres und Söhne zu schicken, wo es von Lukas Tadikkens Fingerabdrücken wimmeln musste. Vielleicht konnte er sich das jetzt sparen.
»Und bei Ihnen?«, fragte Karsten Spengler und zündete sich eine Zigarette an. Diesmal ließ es Bert kalt und er freute sich darüber.
»Wir gehen verschiedenen Spuren nach, bisher jedoch ohne konkrete Ergebnisse. Die Einzelheiten, die an die Presse gelangt sind, haben zu einem Ansturm von Trittbrettfahrern geführt.«
Außerdem hatte der Chef Druck gemacht. Nachdem Bert froh gewesen war, nicht länger die aufbrausende, herrische Art seines früheren Vorgesetzten ertragen zu müssen, hatte er rasch festgestellt, dass er vom Regen in die Traufe gekommen war. Doch daran wollte er jetzt nicht denken.
»Wie bei uns. Die Frage ist, wer der Presse den Tipp zugespielt hat. Einer aus unseren Reihen oder der Täter.«
»Nehmen wir an, es war der Täter«, sagte Bert, »an wen sind seine Mitteilungen dann gerichtet?«
Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
»An die Öffentlichkeit und an uns.«
Wieder schwiegen sie eine Weile, in der Bert nur die Atemzüge des andern hörte.
»Und möglicherweise an einen Dritten«, spann er den Gedanken weiter. »Jemanden, der auf irgendeine Weise in beide Fälle verwickelt ist.«
Mehrere Fahrzeuge der Feuerwehr rasten mit Blaulicht und Signalhorn vom Walter-Pauli-Ring über die Kreuzung Richtung Zoobrücke, und
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