Der Sommerfaenger
»rate ich Ihnen, sie möglichst schnell aus dem Verkehr zu ziehen, bevor sie Ärger machen.«
Er dachte voller Grauen an das nächste Telefongespräch mit Imke Thalheim, die von ihm Informationen erwartete. Ständig überschritt er ihretwegen Grenzen. Das konnte ihn den Kopf kosten. Ihm war jedoch längst klar, dass er weitaus lieber den Kopf als sein Herz riskieren würde.
»Hat diese Frau Meuser mit den beiden gesprochen?«, fragte er.
»Lange genug, um alles auszuplaudern, was sie auch uns verraten hat.«
»Na wunderbar.«
Es war also wieder einmal so weit. Jette und Merle waren auf dem direkten Weg in neue Schwierigkeiten. Bert beendete das Gespräch und stützte stöhnend den Kopf in die Hände.
»Geht es Ihnen nicht gut?«
Er hatte Tessa nicht eintreten hören.
»Ich habe nur gerade ein sehr unangenehmes Déjà-vu«, erklärte er und richtete sich auf. »Zwei Mädchen, die mir in die Ermittlungen pfuschen, eine Mutter, die sich vor Sorgen fast umbringt … aber immerhin gute Nachrichten aus Hildesheim: Lukas Tadikken ist klar identifiziert worden.«
»Dann können wir uns jetzt darum kümmern, ihn zur Fahndung ausschreiben zu lassen.«
Bert nickte. Er beschloss, den Anruf bei Imke Thalheim noch ein bisschen hinauszuzögern.
Am Nachmittag meldete er sich bei ihr.
»Ich kann es mir immer noch nicht vorstellen«, sagte sie, nachdem sie ihn angehört hatte. »Luke hat Stunden in meinem Haus verbracht. Hätte ich es nicht gespürt, wenn er ein Mörder wäre?«
»Wenn man so etwas spüren könnte, wäre meine Arbeit überflüssig.«
»Sie haben natürlich recht. Trotzdem. Luke mag ja ein Geheimniskrämer und Eigenbrötler sein, und er hat meiner Tochter gegenüber nicht mit offenen Karten gespielt, aber er fährt doch nicht durch die Gegend und ermordet einen Menschen nach dem andern. Das passt einfach nicht zu ihm.«
Passt nicht zu ihm.
Wegen solcher Äußerungen hatte Bert sich in diese Frau verliebt.
In den letzten Wochen hatte er alles versucht, um dieses Wort nicht einmal zu denken. Jetzt ließ er es sich auf der Zunge zergehen.
Verliebt.
War doch gar nicht so schwer.
Am liebsten hätte er es laut ausgesprochen. Gesungen. Es mit Flammenschrift an den Himmel gemalt, damit Imke Thalheim es da draußen von den Fenstern ihrer Mühle aus sehen könnte.
V e r l i e b t.
»Und was ist mit meiner Tochter?«, zerrte das Objekt seiner Begierde ihn unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück. »Haben Sie von ihr gehört?«
»Jette und Merle treiben sich in Hildesheim herum, wo der zweite Mord geschehen ist. Sie suchen Leute auf und stellen Fragen.«
»Also doch. Du liebe Güte …«
»Frau Thalheim?«
»Ja?«
»Ich bitte Sie, mir etwas zu versprechen.«
»Was?«
»Kommen Sie jetzt nicht Ihrerseits auf die Idee, nach den Mädchen zu suchen.«
»Ich habe absolutes Vertrauen zu Ihnen«, antwortete sie. »Und wenn Sie mich bitten, mich zurückzuhalten, dann werde ich das tun.«
Gott sei Dank, dachte Bert, nachdem er aufgelegt hatte, und beugte sich wieder über seinen Schreibtisch. Eine Sorge weniger.
*
Imke versuchte erneut, Mike oder Ilka auf dem Festnetzanschluss der WG zu erreichen. Jette und Merle nahmen ihre Anrufe nicht an, also blieb ihr nicht anderes übrig. Sie bereute es, nicht die Handynummern sämtlicher WG -Bewohner in ihrem Adressbuch gespeichert zu haben.
Selbst mit Mina hätte sie jetzt gern geredet, obwohl sie die Gespräche mit dem Mädchen immer sehr schwierig fand, weil sie sich nicht daran gewöhnen konnte, ständig mit unterschiedlichen Persönlichkeiten Minas konfrontiert zu werden.
Fast glaubte sie schon, sie habe wieder keinen Erfolg, als Mike sich meldete.
»Mike, weißt du Näheres über den Ausflug von Jette und Merle?«, kam sie ohne Umweg zum Punkt.
»Nein. Sie haben uns nur eine kurze Nachricht hinterlassen, dass sie ein paar Tage wegfahren. Warum fragen Sie?«
»Ich habe gerade mit dem Kommissar telefoniert. Er hat mir erzählt, dass die Mädchen sich auf die Suche nach Luke gemacht haben.«
»Mist!«, fluchte Mike. »Ich hätt’s mir denken können.«
»Wieso?«
»Ich hab gestern die Zeitung mitgebracht, und beim Frühstück sind wir auf diesen Artikel gestoßen, dass in Hildesheim ein Mord passiert ist, der mit dem Mord an Albert zusammenhängen soll. Daraus entwickelte sich ein Streit zwischen Jette und Ilka. Deshalb sind sie wahrscheinlich los, ohne uns ins Vertrauen zu ziehen. Shit, shit, shit!«
»Wenn sie sich melden«, bat Imke, »gebt ihr mir
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