Der Sommerfaenger
nieder und rieb sich zufrieden die Hände an seiner farbverschmierten Jeans ab. »Die Inspiration braucht er für seine Kreationen.«
»In denen dann die Schickimicki-Tussis durch die Gegend stöckeln. Danke für die Aufklärung!«
Merle blitzte ihn wütend an.
»Hallo, Merle. Ich bin’s.« Er hob die Hände, als wollte er sich ergeben. »Der alte Mike.«
»Entschuldige.«
Ein wenig besänftigt, stopfte Merle die Plüschtiere in das offene Paket zurück und klappte den Deckel wieder zu.
»Aber dieser Zumberg kurbelt mit seinen sogenannten Kreationen das grässliche Pelzgeschäft wieder an, das in den letzten Jahren so einen traumhaften Niedergang erlebt hat. Tag für Tag müssen mehr Nerze, Otter und Iltisse für die Modeindustrie ihr Leben lassen. Die meisten werden eigens zu diesem Zweck gezüchtet. Hast du eine Ahnung, unter welchen Bedingungen die ihr armseliges Leben fristen?«
Das war eine rhetorische Frage, denn natürlich hatte Mike eine Vorstellung davon. Der Bauernhof war für die Tierschutzgruppe zu einem unentbehrlichen Stützpunkt geworden. Sie veranstalteten viele ihrer Treffen hier, lagerten Material in den Nebengebäuden und auf dem Speicher und brachten auch schon mal für ein paar Tage Tiere hier unter, die sie aus Versuchslaboren gerettet hatten.
»Sorry.«
Merle klopfte Mike freundschaftlich auf den Rücken.
»Ich wollte meinen Ärger nicht an dir auslassen. Kommt nicht wieder vor.«
»Klar kommt das wieder vor.«
Mike beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Wange.
»Und das ist gut so. Anders wärst du mir direkt unheimlich.«
Um nicht vor Rührung zu zerfließen, beeilte sich Merle, ihm weiter von der geplanten Aktion zu berichten.
»Wir werden nach Emden fahren und in einer Nacht-und-Nebelaktion Zumbergs Villa mit roter Farbe besprühen. Es soll aussehen wie Blut, verstehst du?«
»Das ist Beschädigung fremden Eigentums.«
»Scheiß drauf.«
»Und wenn die Polizei …«
»Bevor die Bullen kommen, sind wir längst wieder über alle Berge.«
Mike schien sich echte Sorgen zu machen. Was war bloß los mit ihm? Er konnte sich doch sonst für jede Aktion begeistern.
»Während die einen das Blutbad veranstalten, hängen die andern die Plüschtiere auf. Wie Lampions. In den Bäumen. An der Regenrinne. An den Gartenmöbeln. Am Sonnenschirm. Als hätte jemand sie abgeschlachtet. So wie für Zumbergs Edelklamotten Tausende von Tieren niedergemetzelt werden.«
»Das ist ja pervers.«
»Dass wir die Tiere aufhängen?«
Mike nickte.
»Total krank.«
»Nein, mein Lieber. Zumbergs Kreationen sind krank. Die Modeindustrie, die sich mit dem Tod unschuldiger Tiere eine goldene Nase verdient, ist krank. Wir stellen Zumberg bloß an den Pranger. Stellvertretend für alle abartigen Zumbergs dieser Welt.«
»Und ihr glaubt, damit rüttelt ihr die Menschheit auf?«
Merle hob die Schultern.
»Jede Frau, die sich durch unsere Aktion davon abhalten lässt, sich für den nächsten Winter einen Pelzmantel zuzulegen, ist ein Erfolg.«
»Und jeder Mann«, ergänzte Mike, der großen Wert auf Gleichberechtigung legte.
»Und jeder Mann.«
»Diesmal bin ich dabei.«
Überrascht drehten sie sich nach Jette um. Sie hatten ihren Wagen gar nicht gehört.
»Du?«, fragten sie wie aus einem Mund.
»Herzlichen Dank! Ihr traut mir ja eine Menge zu.«
»Du hast doch noch nie …«, begann Merle.
Jette hob die Augenbrauen.
»Was? Etwas Illegales getan?«
Das hatte Merle tatsächlich sagen wollen, aber es wäre falsch gewesen. In letzter Zeit hatten die Verbrechen förmlich an den Füßen der Freundinnen geklebt. Sie hatten gar nicht anders gekonnt, als das eine oder andere Gesetz zu übertreten, hatten ermittlungsrelevante Informationen zurückgehalten, einer Tatverdächtigen Unterschlupf in ihrer Wohnung gewährt …
»Darf ich dich daran erinnern, wie wir Mina vor der Polizei versteckt haben?«, sagte Jette da auch schon. »Um nur ein Beispiel aus meiner kriminellen Vergangenheit zu nennen.«
»Das erklärt immer noch nicht, warum du plötzlich bei einer unserer Aktionen mitmachen willst.«
»Muss man erst eine Beichte und ein Glaubensbekenntnis ablegen, bevor man sich euch anschließen darf?«, fragte Jette angriffslustig.
Aha. Daher wehte der Wind. Wenn Jette aus heiterem Himmel um sich schlug, konnte nur eines dahinterstecken.
»Ärger im Paradies?«
Mike verzog sich diskret. Merle war ihm dankbar für sein Feingefühl.
»Nein. Ich muss nur dauernd an … damals
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