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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Nacht.
    Keine Albträume, in denen sie ermordet wird oder so. Es sind schöne, glückliche Träume, in denen Mom mir übers Haar streicht und mich in den Arm nimmt, lauter solche Sachen, obwohl sie in Wirklichkeit nur Christo übers Haar gestreichelt hat. Sie hat gesagt, dass ich dafür schon zu alt bin.« Er errötete heftig. »Die Träume machen es nur noch schlimmer.« Dann fügte er hinzu:
    »Keiner will mir sagen, wie sie genau gestorben ist.«
    »Josh …«
    »Ich kann die Wahrheit ertragen.«
    Während ich den verlegenen, tapferen Jungen vor mir betrachtete, musste ich an das Foto von Jennys Leiche denken.
    »Schnell«, sagte ich. »Sie ist schnell gestorben.
    Wahrscheinlich hat sie gar nicht mitbekommen, was passiert ist.«
    »Sie lügen mich auch an. Ich dachte, Sie würden mir die Wahrheit sagen.«
    Ich holte tief Luft. »Josh, die Wahrheit ist, dass ich es nicht weiß. Deine Mutter ist tot. Wie auch immer sie gestorben ist, sie hat jetzt keine Schmerzen mehr.«
    Ich schämte mich, weil ich die Situation nicht besser gemeistert hatte. Josh stand abrupt auf und fing an, im Raum herumzuwandern. »Arbeiten Sie wirklich als Clown?«
    »Als Unterhalterin.«
    Er griff nach meinen Bohnensäckchen.
    »Können Sie jonglieren?«
    Ich nahm sie ihm aus der Hand und fing an, sie durch die Luft zu wirbeln. Er wirkte nicht sehr beeindruckt.
    »Ich meine, richtig jonglieren. Ich kenne eine Menge Leute, die mit drei Bällen jonglieren können.«
    »Versuch du es doch mal.«
    »Ich bin kein Unterhalter.«
    »Nein«, gab ich trocken zurück.

    »Ich habe Ihnen etwas mitgebracht«, sagte er.
    Er nahm seinen Rucksack zur Hand und fischte einen braunen Umschlag heraus.
    Der Umschlag enthielt Dutzende von Fotos, hauptsächlich Urlaubsfotos, die im Lauf der Jahre aufgenommen worden waren. Während ich sie betrachtete, war mir auf schreckliche Weise bewusst, dass Josh mir schwer atmend über die Schulter sah. Jenny im gelben Bikini, sehr schlank und braun gebrannt an einem Sandstrand, im Hintergrund ein Stück blauer Himmel.
    Jenny in einer ordentlich gebügelten Jeans und einem grünen Poloshirt, Clives steifen Arm um die Schulter, ein hübsches Lächeln für die Kamera auf den Lippen. Sie sah so viel besser aus als er. Jenny, Hand in Hand mit einem viel jüngeren Josh. Jenny mit einem kahlen Baby im Arm, wahrscheinlich Chris. Jenny auf einer Wiese sitzend, umgeben von ihren drei Söhnen. Jenny mit kinnlangem, gestuftem Haar. Jenny beim Skifahren, in sauberer, nach vorn gebeugter Haltung, die Skistöcke unter die Achseln geklemmt. Jenny auf Gruppenfotos, Jenny allein.
    Am meisten berührte mich ein Foto, das offensichtlich ohne ihr Wissen aufgenommen worden war, sodass sie ausnahmsweise mal nicht ihre typische skeptische Miene aufgesetzt hatte. Es handelte sich um eine leicht verschwommene Profilaufnahme. Eine Strähne ihres glänzenden Haars hing ihr ins Gesicht. Ihre Wange wirkte glatt, ihre Lippen waren leicht geöffnet, ihre Hand halb erhoben. Sie machte einen nachdenklichen, fast traurigen Eindruck. Ohne ihren üblichen Schutzpanzer sah sie aus wie eine Frau, mit der ich vielleicht doch hätte befreundet sein können. Noch etwas traf mich wie ein Messerstich: Sie hatte etwas Interessantes an sich. Eine besondere Ausstrahlung, die erklärte, warum sie jemandes Aufmerksamkeit erregt hatte. Ich konnte sie mir jetzt durchaus als eine Frau vorstellen, von der die Leute fasziniert gewesen waren. O Gott.
    Schweigend legte ich die Fotos auf den Tisch und drehte mich zu Josh um. »Du armer Junge«, sagte ich, woraufhin er zu weinen begann, auch wenn er tapfer versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Er schluckte und schniefte und erstickte fast an seinem Kummer, während er zwischendrin immer wieder leise »Tut mir Leid« vor sich hinmurmelte. Schließlich verbarg er den Kopf in seiner Armbeuge. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und wartete, bis er sich wieder beruhigt hatte. Nach einer Weile richtete er sich auf, kramte ein zerknülltes Taschentuch hervor und putzte sich lautstark die Nase.
    »Tut mir Leid«, sagte er noch einmal.
    »Du musst dich nicht entschuldigen«, entgegnete ich.
    »Es ist gut, dass es jemanden gibt, der um sie weint.«
    »Ich gehe jetzt wohl besser«, sagte er, während er die Fotos einsammelte und zurück in den Umschlag schob.
    »Geht’s wieder?«
    »Ja.« Er wischte sich mit dem Ärmel über die Nase.
    »Ich gebe dir meine Visitenkarte, damit du nicht mehr in den Gelben Seiten nachschauen musst, wenn

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