Der Sommermörder
du mich anrufen möchtest. Augenblick.«
Ich ging ins Schlafzimmer hinüber, wo mein Schreibtisch stand. Josh wartete im Türrahmen. Wieder fiel mir auf, wie dünn er war. Er sah aus, als brauchte er immer was zum Anlehnen, weil er sonst einfach umfallen würde. Ein richtiger Knochenhaufen.
»Besonders ordentlich sind Sie ja nicht gerade«, bemerkte er.
So ein frecher Bengel. »Stimmt. Wenn ich gewusst hätte, dass du kommst, hätte ich extra für dich aufgeräumt.«
Er grinste verlegen. »Außerdem haben Sie einen richtig altertümlichen Computer.«
»Du bist nicht der Erste, der mir das sagt.«
Ich durchwühlte die Schubladen nach meinen Visitenkarten.
»Sind Sie online?«
»Online? Nicht dass ich wüsste.«
Er setzte sich an den Computer und fing an, auf der Tastatur herumzutippen. Er starrte auf den Bildschirm, als wäre er ein Bullauge, durch das etwas besonders Lustiges zu sehen war.
»Welche Kapazität hat Ihre Festplatte?«
»Frag mich was Leichteres.«
»Das ist das Allerwichtigste. Sie brauchen einfach mehr Power. Diese Kiste hier ist wie eine Mücke, die versucht, einen Lastwagen zu ziehen. Sie brauchen ein System mit einem größeren Arbeitsspeicher.«
»Ja, wahrscheinlich«, antwortete ich in der Hoffnung, ihn dadurch zum Schweigen zu bringen.
»Schnellere Hamster.«
Endlich wurde ich fündig. Ich hielt ihm die Karte unter die Nase.
»Hier! Nadia Blake, Entertainerin für Kinder, Puppenspielerin, Jongleurin, Zauberin und …« Plötzlich erstarrte ich. »Was? Was hast du da gerade gesagt?«
»Nicht böse sein! Es ist nun mal eine Tatsache, dass so ein Computer praktisch nutzlos ist, wenn er keine richtige
…«
»Ja, ja, aber was hast du eben gesagt?«
»Ich habe gesagt, dass Sie mehr Power brauchen.«
»Nein, du hast es irgendwie anders formuliert!«
Nachdem Josh einen Moment überlegt hatte, sah ich ihn zum ersten Mal lachen. »Tut mir Leid, das ist nur so ein blöder Ausdruck. Schnellere Hamster. Damit ist einfach nur mehr Power gemeint.«
»Wo hast du das her?«
»Es ist nur ein bildlicher Ausdruck. Wahrscheinlich bezieht er sich auf Hamster in Laufrädern. Nehme ich zumindest an. Ich habe noch nie wirklich darüber nachgedacht.«
»Nein, das meine ich nicht. Von wem hast du den Begriff?«
»Von wem?« Josh zog ein Gesicht. »Von einem Typen aus dem Computerclub bei uns an der Schule.«
»Was? Einem Schüler?«
»Nein, er heißt Hack und ist einer von den Typen, die den Club betreuen. Er ist wirklich nett zu mir, vor allem, seit Mum gestorben ist.«
Ich zitterte. »Hack? Was ist denn das für ein Name?«
»In Wirklichkeit heißt er ganz anders. Das ist bloß sein Codename.«
Ich versuchte, ruhig zu bleiben. »Josh«, sagte ich, während ich meine zitternden Hände fest aneinanderpresste, »kennst du seinen richtigen Namen?«
Er runzelte die Stirn. Bitte, bitte, bitte.
»Ich glaube, er heißt Morris. Er kennt sich mit Computern total gut aus, aber er wird Ihnen genau dasselbe sagen wie ich.«
16. KAPITEL
eine Hände zitterten so, dass ich es kaum schaffte, die Telefonnumm
M
er zu wählen. Ich ließ mich zu
Links durchstellen. Inzwischen war ich dahinter gekommen, dass man nur hartnäckig genug sein musste, dann stellte sich am Ende immer heraus, dass er doch zu sprechen war. Er klang distanziert und argwöhnisch. Seit ich ausgebüxt war, wusste er wohl nicht mehr recht, wie er mit mir umgehen sollte. Zweifellos hätte er mich am liebsten wegen irgendeines Verstoßes angezeigt, aber anscheinend hatte ich kein Gesetz gebrochen. Das Einzige, was er aus seiner Position der Schwäche heraus tun konnte, war, mich mit seiner mürrischen Art zu bestrafen.
»Ja?«, fragte er.
»Ich habe mit Joshua Hintlesham gesprochen.«
»Wie bitte?«
»Er ist Jennifer Hintleshams Sohn.«
»Das ist mir bekannt. Wie kommen Sie dazu, mit ihm zu sprechen?«
»Er hat mich besucht.«
»Wieso? Woher weiß er, wer Sie sind?«
Wenn er in Reichweite gewesen wäre, hätte ich mich jetzt zu ihm hinübergebeugt und ihn kräftig geschüttelt oder ihm ein paar Kopfnüsse verabreicht, aber leider war er nicht greifbar.
»Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Es spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass ich auf jemanden gestoßen bin, den wir beide kennen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Vor ungefähr zwei Wochen hatte ich Probleme mit meinem Computer und habe eine Nummer angerufen, die ich auf einer Visitenkarte unter meinem Scheibenwischer fand. Ein Typ namens Morris ist vorbeigekommen
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