Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
Stift gegen seine Zähne und starrte mich dabei unverwandt an. Ich sah, dass die kahle Stelle auf seinem Kopf in einem intensiven Rosaton leuchtete und seine haarigen Handgelenke ebenfalls sonnenverbrannt waren. Geschah ihm recht.
    »Ja, ist gut.«
    Kein Wort darüber, dass er noch mal kommen wollte.
    Mistkerl.
    Ich brach ein paar Minuten nach ihm auf, um mir mit Louise und ein paar von ihren Freundinnen, die ich noch nicht kannte, einen Film anzusehen. Es war schön, mit einer Gruppe von Frauen im Dunkeln zu sitzen, Popcorn zu knabbern und vor sich hin zu kichern. Man fühlte sich dabei so geborgen.
    Ich kam ziemlich spät nach Hause. Es war eine dunkle, sternenlose Nacht. Als ich die Tür aufschob, entdeckte ich auf der Fußmatte einen Brief. Jemand musste ihn durch den Briefschlitz geschoben haben. Er war in sauberer schwarzer Kursivschrift an mich adressiert. Schien ausnahmsweise mal nicht von einem Spinner zu stammen.
    Noch immer im Türrahmen stehend, riss ich ihn auf.

    Liebe Zoë, wann bekommt ein so junges, hübsches und gesundes Mädchen wie du Angst vor dem Sterben? Ich bin schon gespannt. Du rauchst (wovon du am Finger übrigens einen Nikotinfleck hast), manchmal nimmst du auch Drogen. Du hast eine Vorliebe für ungesundes Essen. Du bleibst oft lange auf, bist am nächsten Morgen aber nicht verkatert. Wahrscheinlich bildest du dir ein, dass du ewig leben wirst. Dass du noch lange Zeit jung sein wirst.
    Zoë mit den weißen Zähnen und dem hübschen kleinen Grübchen beim Lächeln, du wirst nicht mehr lange jung sein. Betrachte das als Warnung.
    Hast du Angst, Zoë? Ich beobachte dich. Du wirst mich nicht mehr los.

    Ich stand am Rand des Gehsteigs, auf dem noch immer Menschen vorüberströmten, sich eilig an mir vorbeidrängten, und starrte auf den Brief. Als ich die linke Hand hob, sah ich, dass ich am Mittelfinger tatsächlich einen gelben Fleck hatte. Ich knüllte den Brief zusammen und warf ihn in eine Abfalltonne, zu all dem anderen Müll, all dem Dreck aus dem Leben anderer Leute.

    Heute hat sie ein hellblaues Trägerkleid an. Es reicht ihr bis zu den Knien, und knapp über dem Saum leuchtet ein Fleck aus Kreidestaub, den sie noch nicht bemerkt hat. Sie trägt keinen BH. Ihre Achseln sind rasiert, ihre Beine wirken ebenfalls glatt und weich. Ihre Nägel sind lackiert, aber an der linken großen Zehe beginnt der helle Lack bereits abzublättern. Sie trägt flache marineblaue Sandalen, die alt und abgewetzt aussehen. Ihre Haut ist gebräunt, und die Härchen auf ihren Armen sind golden.
    Manchmal erhasche ich einen Blick auf die milchweißen Unterseiten ihrer Arme, die hellere Haut ihrer Kniekehlen.
    Wenn sie sich hinunterbeugt, kann ich sehen, dass das Honiggold, das ihre Schultern und ihren Hals überzieht, zwischen ihren Brüsten ausläuft. Ihr Haar ist hochgesteckt. Die Sonne hat es ausgebleicht, sodass es am Ansatz viel dunkler ist als oben. Ihre silbernen Ohrringe haben die Form von kleinen Blumen. Hin und wieder dreht sie sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Ihre Ohrläppchen sind ziemlich lang. Die vertikale Rille über ihrer Oberlippe ist recht stark ausgeprägt. Wenn ihr so heiß ist wie heute, sammelt sich darin Schweiß, den sie in regelmäßigen Abständen mit einem Taschentuch wegwischt. Ihre Zähne sind weiß, aber im hinteren Teil ihres Mundes habe ich mehrere Plomben entdeckt. Sie blitzen auf, wenn sie lacht oder gähnt. Sie trägt kein Make-up. Ich kann die hellen Spitzen ihrer Wimpern sehen, die leichte Trockenheit ihrer ungeschminkten Lippen. Über ihren Nasenrücken sind ein paar Sommersprossen verteilt, die noch nicht da waren, als ich letztes Mal hingesehen habe. Der gelbe Fleck an ihrem Mittelfinger ist verschwunden. Gut. Sie trägt keine Ringe.
    Die Uhr an ihrem Handgelenk hat ein großes Zifferblatt mit einem Bild von Mickey Mouse in der Mitte. Als Band benutzt sie ein Haarband.
    Ihr Lachen klingt ein bisschen wie das Geläut einer Türglocke. Wenn ich ihr sagen würde, dass ich sie liebe, würde sie mich mit diesem Glockengeläut auslachen. Sie würde glauben, dass ich nur Spaß mache. Frauen sind so.
    Sie stellen ernste, wichtige Dinge als etwas Kleines, Banales hin, einen Witz. Liebe ist kein Witz. Es geht dabei um Leben oder Tod. Eines Tages wird sie das verstehen.
    Bald wird sie wissen, dass gewisse Dinge wichtig sind: die Art, wie sie lächelt oder einem mit aufmerksamen Augen zuhört, die Art, wie ihre Brüste flach werden, wenn sie den Arm über den Kopf hebt. Sie

Weitere Kostenlose Bücher