Der Sommernachtsball
schuldete er ihr nun mal. Niedliches Ding. Außerdem war er nicht zum Küssen hergekommen.
»Was ich sagen wollte«, begann er betreten; er schaute sie nicht an. »Tut mir leid, was da im Sommer passiert ist. Ich schätze, ich habe Ihre Gefühle verletzt.«
»Allerdings«, antwortete sie milde, »aber das macht jetzt nichts mehr.«
»Nett von Ihnen.« Er schaute sie noch immer nicht an. »Ich hab einfach den Kopf verloren, ich geb’s zu.«
Viola sagte nichts. Natürlich war es nett von ihm sich zu entschuldigen, aber es wäre ihr viel lieber gewesen, wenn er sie einfach nur geküsst hätte. Weshalb sonst war er mit ihr rausgefahren?
»Sie – ähm – ich nehme an, Sie haben gehört …?«
Viola wurde knallrot, dann erbleichte sie. »Dass Sie sich verlobt haben? O ja.« Warum musste er jetzt damit anfangen? Alles war so schön gewesen, und jetzt war alles verdorben. Sie wollte nur noch heim, zurück ins Hotel. In ihrem Hals saß auf einmal ein riesiger Kloß.
»Ja. Ähm. Ja, wir wollen im Frühling heiraten.«
Was mach’ ich da?, dachte er zornig. Gleich sag’ ich noch, dass sie Phyl mögen wird und dass wir mal zusammen ins Theater gehen sollten. Mist, ich hätte gar nicht erst damit anfangen sollen. Zur Hölle damit.
Schnief.
»Violet, Liebling, was ist? Nicht weinen. Hier, nimm meins. Da – na, besser? Was ist denn los, du süßes kleines Ding?«
»Ich heiße Viola , nicht Violet. Sie verwechseln das andauernd!«, rief sie, an seiner Schulter schluchzend. »Und Sie machen mich immer bloß unglücklich, Sie Scheusal. Es war so schön, bis Sie mit dieser Heirat anfangen mussten. Sie können sich ja nicht mal meinen Namen merken!« Und aufheulend: »Eine Beleidigung ist das!«
»Verzeih, Liebling. Na, na«, und er tätschelte sie verlegen. Die Frauen, die er sonst kannte, mussten nicht getätschelt werden, und falls doch, taten sie es selbst. »Hör auf zu weinen, Liebling. Es tut mir leid, ehrlich.«
»Das will ich auch hoffen!«, sagte Viola so hochmütig, wie sie konnte. Dann schnäuzte sie sich. Ihr Kopf lag noch immer an seiner Schulter, und ihr Haar berührte seine Wange. Hm, das fühlte sich gut an. Tatsache ist, sie packt mich dort, wo ich am empfindlichsten bin, dachte er zornig. Ich Trottel, warum musste ich auch mit ihr rausfahren. Hätte wissen müssen, was passieren würde. Und jetzt kann ich natürlich nicht mehr aufhören, sie zu küssen. Aber er bemühte sich gar nicht wirklich.
»Besser, hm?«, murmelte er nach einer Weile.
Das Rauschen der Wellen weit unten hörten sie nicht, obwohl es ganz still war. Viola nickte.
»Puder fürs Näschen.« Er hielt ihr Puderdöschen, während sie sich die Nase puderte. Dann schaute er zu, wie sie sich die Locken kämmte. Ihr Profil zeichnete sich zart vor dem silbernen Mondstreifen auf dem Meer ab.
»Sieht prima aus«, bemerkte er hilfsbereit.
Sie sagte nichts.
Ich fahre sie besser so schnell wie möglich wieder zurück. Er ließ den Wagen an. Ich darf mich nie wieder in so eine Lage bringen – allein mit ihr. Aber das hab ich letztes Mal auch gesagt. Ach was, zum Teufel damit.
»Dieser Abend war wohl so was wie ein Reinfall«, bemerkte er schließlich, nachdem sie ein Weilchen stumm dagesessen hatten, während der Motor leise vor sich hin schnurrte. »Es tut mir leid.« (Wie oft ich das sage …)
»Ach, zuerst war’s wundervoll «, antwortete sie ernsthaft, »und es tut mir leid, dass ich mich wie eine dumme Gans benommen hab’. Es macht nichts, ich meine, es macht mir nichts aus, wissen Sie.«
»Ach nein?«, meinte er niedergeschlagen. »Toll. Also, wollen wir dann mal wieder zurück?«
Sie wollten. Bald tauchten die ersten Autos und auch die ersten Häuser auf. Mit dem Alleinsein war’s vorbei.
»Werden Sie in Sible Pelden heiraten?«, erkundigte sich Viola mit gequälter Stimme.
Ganz bestimmt nicht! Und du unter den Kirchenbesuchern, nein danke. Nicht, wenn ich was zu sagen hab.
»Nein, in London.«
»Ach.«
Pause.
»Sind Sie jetzt sauer?«
»Verdammt, Viola!« – sehr sauer – »Jetzt halt doch mal den Mund! Siehst du denn nicht – ach, verdammt. Hier, nimm meins.«
Er schaffte es, trotz ihres zweiten Tränenausbruchs, ohne weiteres Gerede zum White Rock zurück. Reden nützte nichts. Er begehrte sie so sehr, dass er glatt angefangen hatte, sie zu mögen. Das passierte manchmal. Normalerweise kurierte ihn ein gemeinsames Wochenende von so etwas. Aber das ging ja diesmal nicht. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass er’s
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