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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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machte mit einem Blick einen anderen Kellner auf sich aufmerksam (Victor hatte den Kellner-Test mit summa cum laude bestanden), der sogleich herbeieilte.
    Wie immer redete er mit ihr, als ob sie ein Kind wäre, und weidete sich an ihrer Verwirrung.
    »Im Lake District. Das heißt, nur Mr Wither und Mrs Wither und Madge. Tina und ich sind hier, aber Tina musste übers Wochenende weg, deshalb bin ich allein.«
    »Was für eine Schande. (Bringen Sie mir ein halbes Dutzend Austern, ja?) Aber egal, ich bin ja auch allein. Wir müssen uns gegenseitig aufmuntern.«
    Pause. Er lehnte sich zurück und schaute sich müßig im Saal um. Die meisten Leute an den Nachbartischen schauten verstohlen zu ihnen hin, überrascht vom plötzlichen Auftauchen dieses gut aussehenden jungen Mannes, der es sich wie selbstverständlich am Tisch dieses hübschen, ein wenig ärmlichen Dings gemütlich gemacht hatte. Ein oder zwei junge Damen machten beinahe neidische Gesichter. Und sie waren nicht die Einzigen: Mrs Brodhurst ebenso. Es war einfach herrlich. Viola war im siebten Himmel.
    Victor aß schweigend seine Austern. Gelegentlich warf er ihr ein herzliches Lächeln zu, gab sich aber nicht die Mühe, Konversation zu machen. Victor hatte generell nicht viel zu sagen, außer wenn es um Sport oder Geschäfte ging. Phyllis hatte schon lange den Verdacht, dass der gute alte Vic bei den kleinen grauen Zellen ein wenig zu kurz gekommen war, wie sie sich ausdrückte.
    Kommt mir vor, als würde ich sie schon ewig kennen – Mist, kein gutes Zeichen. Aber was soll ich machen? Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie hier sein würde, oder? Die Letzte, die ich hier erwartet hätte. Ist doch nicht meine Schuld, dass sie ausgerechnet an dem einzigen Tag, an dem ich hier unten bin, auch hier ist. Ich kann sie ja schlecht schneiden, oder? Außerdem bin ich ihr eine Erklärung schuldig … das war eine ganz schöne Gemeinheit, die ich da abgezogen habe; sie war an dem Tag genauso erschüttert wie ich selber. Sie hat das Recht auf eine Entschuldigung. Er beschloss, sie hinterher auf eine Mondscheinfahrt mit dem Wagen auszuführen, dann konnte er die Gelegenheit wahrnehmen und sich entschuldigen.
    »Was möchten Sie trinken, Violet?«
    »Könnte ich Champagner haben, bitte?«, bat Mrs Wither mit fester Stimme. Sie hatte beschlossen, sich an diesem himmlischen Abend alles zu gönnen, was sie sich nur wünschte. Außerdem hatte er ja gefragt. Und selbst wenn Champagner teuer war – hatte sie nicht von klein auf gehört, wie reich er war? Sie konnte sich gerade noch davon abhalten hinzuzufügen: »Falls das nicht zu teuer ist.« Shirley hatte mal gesagt, dass Männer solche Bemerkungen hassen.
    »Aha, danach ist Ihnen also zumute, was?« Er riss seine haselnussbraunen Augen weit auf und lachte sie an. »Sie mögen Champagner?«
    »O ja. Champagner mag ich am allerliebsten. Noch lieber als Wein.«
    »Aber kitzeln die Bläschen denn nicht in der Nase?«
    »O ja, schrecklich, und ich muss beim ersten Schluck immer niesen«, meinte sie spöttisch.
    Eine freche Antwort hatte er von der kleinen Wither nicht erwartetet, und es amüsierte ihn. Er bestellte den Champagner, der kurz darauf in einem silbernen, mit Eiswasser beschlagenen Kübel gebracht wurde, und schenkte ihnen ein.
    Hab ich das wirklich gesagt?, wunderte sich Viola. Sie nahm einen kräftigen Schluck Champagner, die Augen keck übers Glas hinweg auf ihn gerichtet. Ganz schön frech. Aber ich bin so glücklich, und ich hab gar keine Angst mehr vor ihm. Kommt mir vor, als würde ich ihn schon ewig kennen.
    Wenn Champagner bestellt wird, heizt das natürlich sofort die Stimmung an. Im Speisesaal des White Rock war Champagner natürlich keine Seltenheit, dennoch erwachte an den benachbarten Tischen Interesse. Die trinken Champagner – und schon schossen die wildesten Spekulationen ins Kraut! Diamanten und Orchideen … Vollblüter und Zobel … Ich weiß aus sicherer Quelle, dass er mindestens fünfzig Riesen gemacht hat … Champagner!
    »Möchten Sie nachher eine kleine Ausfahrt mit mir machen?«, fragte Victor unvermittelt. Er wollte sicher sein, dass dieser überraschend schöne Abend noch nicht so schnell zu Ende ging.
    »O ja, liebend gern.«
    Ich hab sie völlig falsch eingeschätzt, überlegte er, während er ihr nachschenkte. Sie ist überhaupt nicht berechnend, sondern ein naives kleines Ding. Aber Junge, Junge, was für ein Temperament! Es wäre ein Leichtes … nein, nein, das kommt nicht infrage.

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