Der Sommernachtsball
nicht?«, wollte Viola wissen.
»Ja, weil er dich für nicht ganz passend hält, denke ich – weil du kein Vermögen hast und so.«
Viola wurde rot. »Glaubst du, es stört ihn auch, dass ich mal Verkäuferin gewesen bin?«
»Würde mich gar nicht überraschen. Das ist genau das, woran sich die Leute stoßen«, meinte sie bitter. »Nicht so sehr wie früher, Gott bewahre, ein intelligenter Mensch käme heutzutage gar nicht mehr auf so eine Idee. Aber auf dem Lande ist es noch so, ganz besonders bei den Reichen. Und erst recht bei den Reichen, die noch nicht lange reich sind, so wie die Springs. Spring senior hat sein Vermögen erst im Krieg gemacht, wusstest du das?«
»Ja? Ach, jetzt fällt’s mir ein … Vater hat mal so was erwähnt …«
»Mhm. Marmelade für die Truppen oder so was.«
»Ja, wird er mich denn weiterhin für unpassend halten und am Ende doch sie heiraten? Was glaubst du?« Ihr kamen schon wieder die Tränen.
»Ich fürchte ja, Vi. Denn siehst du, ein Mann wie Victor Spring heiratet nur nach dem Verstand, auch wenn uns Frauen das unbegreiflich ist. Er will jemanden, der sein großes Haus führen und seine eleganten, reichen Gäste empfangen kann. Jemand, der ihm keine Schande macht. Und das kann diese Barlow-Hexe, soweit ich das sehe. Ich würde sie ja kaum als menschliches Wesen bezeichnen, aber all so was kann sie. Die Dinge eben, auf die er Wert legt. Und er kennt sie seit Jahren (du hast seine Cousine ja gehört) und – ach, da passt eben alles. Du könntest das nicht. Ein großes Haus führen, meine ich.«
»Doch, könnte ich schon. Wenn ich die richtigen Dienstboten hätte. Shirley sagt, das ist alles, was man braucht.«
»Aber sie würden dir auf dem Kopf herumtanzen. Du bist zu weich.«
»Ich könnte es ihm und einer guten Haushälterin überlassen.«
»Ja, das ginge, das wäre eine Idee. Aber ich fürchte, er wird dir diese Chance nicht geben. Ach, du Arme, das ist wirklich Pech, und ich finde, er hat sich dir gegenüber ganz abscheulich benommen, aber ich glaube, du wirst ihn weiter vergebens lieben müssen, so lange es eben dauert. Außer, du lernst jemand anderen kennen, natürlich.«
Auf dieser melancholischen Note endete das Gespräch. Da Tina noch an diesem Abend zu Elenor zurückmusste, wurde über das Thema Victor nicht weiter geredet. Doch obwohl sie Viola mit dem Gedanken, wie unwahrscheinlich es war, dass Victor sie doch heiraten könnte, noch unglücklicher gemacht hatte, so hatte sie sie andererseits enorm getröstet, als sie der Vermutung Ausdruck gab, dass Victor sie wirklich liebte. Viola hatte nicht gewagt, daran zu glauben, sie hatte lediglich gehofft, dass er sie vielleicht auch ein bisschen mochte. Der Gedanke, er ringe nun mit seinen Gefühlen für sie, war ungeheuer tröstlich. Sie stellte sich einen ausgezehrten, abgemagerten Victor vor, der von Miss Barlow gefragt wurde, was denn los sei, und der sich dann in die zerkaute Lippe biss, dass es blutete, »Ach, nichts« murmelte und dazu ein abgrundtiefes Stöhnen von sich gab.
Trotz dieser tröstlichen Träumereien war die letzte Woche in Stanton äußerst deprimierend. Das Wetter hatte umgeschlagen und den September mit Dauerregen verabschiedet. Adrian Lacey ging es so schlecht, dass nicht mal mehr Tina zu Besuch kommen durfte; und am Freitag, dem Tag vor ihrer Heimfahrt, bekam Tina einen Anruf von Elenor und erfuhr, dass Adrian kurz nach dem Mittagessen friedlich entschlafen sei. Tina wollte nicht zur Beerdigung gehen, das ginge über ihre Kräfte, meinte sie. Elenor wollte das Haus verkaufen und zu ihrer verheirateten Schwester nach Malta ziehen.
Damit war das mit den Laceys auch erledigt. Das schlechte Wetter, die Beerdigung und ihr privater Kummer – Viola war froh, als am Samstagvormittag Saxon mit dem Wagen auftauchte, um sie nach Hause zu fahren. Sie freute sich darauf, Polo wiederzusehen, der ihr ans Herz gewachsen war, und außerdem wäre sie dann zwanzig Meilen näher bei Grassmere.
»Guten Morgen, Saxon.«
»Morgen, Mrs Theodore.«
Saxon wirkte gesund, fröhlich und braun gebrannt, als ob er den Sommer ebenfalls an der Küste verbracht hätte.
»Haben Sie einen schönen Urlaub gehabt?«
»Ganz besonders schön, Mrs Theodore.«
»Wo waren Sie denn?«
»Äh, Vi, sei so gut und hol mir meine Handschuhe; ich muss sie an der Rezeption liegen gelassen haben, als ich die Rechnung beglichen habe«, warf Tina ein. Viola rannte los, um die Handschuhe zu retten, die, wie sich später
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