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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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Öffentlichkeit mit Miss Tina ansprechen zu müssen, kurz, wie ein Verführer herumschleichen zu müssen, während er doch in Wirklichkeit ein anständig verheirateter Mann war. Aber Tina hatte im letzten Moment kalte Füße bekommen, hatte gezaudert und gezögert und es immer wieder hinausgeschoben, unter dem Vorwand, sie hasse Streit und Auseinandersetzungen. Saxon solle sich erst einmal eine neue Stelle in London besorgen, dann stünden sie ganz anders da, wenn sie es der Familie endlich mitteilten. Sie hasste Szenen, ihr graute regelrecht davor, und sie wollte sich ihre ersten Wochen als Ehefrau nicht durch einen fürchterlichen Krach mit Mr Wither verderben lassen. Kurz gesagt, sie hatte sich feige und kindisch benommen. Das erkannte sie jetzt ganz deutlich. Sie sagte sich, dass sie froh sei, dass die Bombe nun endlich geplatzt war, dass sie die Szene hinter sich hatte. Jetzt konnten sie und Saxon endlich darangehen, eine ordentliche Ehe zu führen.
    Trotzdem war sie, wie sie über den glitschigen Pfad auf ein Licht zustolperte, nicht erleichtert und auch nicht freudig erregt. Nur extrem niedergeschlagen. Würde Saxon ihr jetzt, wo auch die letzte Romantik verflogen war, noch derselbe Freund und Geliebte sein? Jetzt, wo es für ihn hieß, eine Ehefrau ernähren zu müssen?
    Sie stellte ihren Koffer ab und massierte erst mal ihren schmerzenden Arm, bevor sie klopfte.
    Kurz darauf wurde die Tür von Mrs Caker geöffnet, die mit einer alten Jacke um die Schultern vor ihr stand. Bei Tinas Anblick riss sie Mund und Augen auf.
    »Schönen guten Abend, Mrs Caker«, begann Tina, die sich daran erinnerte, dass sie als kleines Mädchen immer besonders nett zu Mrs Caker gewesen war, wenn sie die Wäsche der Dienstboten vorbeibrachte. Die Cakers haben es im Moment so schwer, hatte es immer geheißen .
    »’n Abend.«
    Mrs Cakers Blick wanderte verdrießlich und neidisch über Tinas Pelzmantel, dessen Haarspitzen im Nebel ein wenig feucht und dunkel geworden waren. Aber ihre Augen funkelten erregt. Mrs Caker mochte nichts lieber als ein wenig Wirbel; sie hatte heute zwar schon welchen erlebt, doch ahnte sie, dass nun noch mehr auf sie zukam.
    »Ist Saxon zu Hause?«, erkundigte sich Tina resolut. Mit ihren riesigen dunklen Augen in ihrem schmalen, blassen Gesichtchen starrte sie zu der größeren Frau auf.
    »Nee, der ist schon vor ’ner Weile weggerannt. Wir hatten ein bisschen Krach, um ehrlich zu sein, Miss Wither. Iss in den Wald gerannt. Haben Sie ihn denn nicht gesehn? Ist noch gar nich’ so lang her.«
    Tina schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich hab ihn nicht gesehen. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich kurz reinkomme, Mrs Caker? Ich muss unbedingt mit Saxon sprechen.«
    »Klar könnse. Kommse rein.«
    Sie trat beiseite und hielt Tina, gar nicht mehr missmutig, die Tür auf. »Hier, setzense sich. Machen Sie sich nichts aus der Unordnung, ich hab den ganzen Tach lang mit der Wäsche zu tun gehabt – wie immer. Hier, bitte …« Sie raffte einen Haufen trockener Wäsche zusammen und bot ihr das Sofa an. »Machen Sie sich’s bequem.«
    Sie schloss die Tür, und nun saß Tina in dem muffigen Geruch nach feuchter Wäsche, Bier und Staub. Sie hatte auf dem Sofarand Platz genommen, die kleinen Füße in den schlammverspritzten Schühchen eng zusammengestellt. Unauffällig schaute sie sich um. Das war also Saxons Zuhause. Es war noch schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie wurde von Sekunde zu Sekunde niedergeschlagener und deprimierter, fühlte sich abgeschnitten von ihrem alten Leben und schreckte vor dem neuen zurück.
    Aber sie spürte trotz der erbärmlichen Umgebung, des Geruchs und der Schlampigkeit den Charme, den Mrs Caker ausstrahlte. Sie war eine warmherzige, gutmütige Frau, und das zeigte sich in allem, was sie tat. Sie würde nie jemanden schief ansehen oder verdammen oder langsam verhungern lassen, bloß, weil es sich so gehörte. Leben und leben lassen, das war ihr Motto. Allmächtiger, dachte Tina überrascht, aber auch ein wenig deprimiert, ich glaub, ich mag sie. Na ja, umso besser.
    »Mrs Caker«, begann sie und schaute zu der hochgewachsenen Schlampe hinüber, die am Kamin lehnte und ihren Hut und Mantel mit begierigem Interesse musterte, »es kommt Ihnen sicher sehr seltsam vor, dass ich hier so einfach auftauche und nach Saxon frage, aber …«
    »Ach, ich weiß doch, dass ihr beiden euch gern habt – also, dass ihr mitnander geht«, wurde sie von ihrer Schwiegermutter mit einem

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