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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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Teufel, den es diebisch freute, seinem alten Freund W. eins auswischen zu können; wahrscheinlich hatte er Saxon nur aus diesem Grund eingestellt, aus schierer Bosheit.
    »Hast du die Zimmer schon gesehen?«, wollte Tina wissen.
    Sie war immer noch ganz durcheinander; das Ganze kam ihr so unwirklich vor, selbst der Tisch, an dem sie saßen, und Saxons attraktives Gesicht. Aber sie wusste, dass das eine Nachwirkung der Nervenanspannung war, und störte sich nicht weiter daran. Saxons Aufmerksamkeit, Zuneigung und unerschütterliche Verlässlichkeit gaben ihr Halt und Trost.
    »Nein. Aber lass uns erst mal was essen, dann können wir sie uns zusammen anschauen.«
    Wir müssen beim Personal wohnen , dachte Tina. Tja, so ist das Leben. Du hast dir ja gewünscht zu leben. Und jetzt leb.
    Aber wie sich herausstellte, handelte es sich bei den Zimmern um eine eigene kleine Wohnung über der Garage, dem ehemaligen Kutschenhaus, hinter dem großen Anwesen, auf einem langen gepflasterten Hinterhof, mit separatem Zugang. Die Zimmer waren klein, aber sonnig und erst vor einem Jahr renoviert worden. Die Möbel waren alt und abgenutzt, aber das ließ sich mit frischer Farbe und neuen Bezügen leicht ändern. Tina riss die Fenster auf und schaute auf den zwar ein wenig schmutzigen, aber malerischen kleinen Hof hinaus. Auf einmal besserte sich ihre Laune. Ja, hier gefiel es ihr. Sie küsste Saxon, der zufrieden aussah, und beschloss, ihr erstes Heim zu mögen.
    Über eine steile, schmale Treppe kam man direkt zur Garage hinunter. Und da stand er, im Halbdunkel, chromblitzend und mit funkelndem Lack: der große Götze der Stadt, dem Saxon von nun an huldigen würde. Er schaute sich in seinem Tempel um.
    Die Garage war kühl, sauber und still. Alles hatte seinen Platz, sogar die Schmutzlappen hatten ihre eigene Altarnische. Benzinkanister, Öl, Werkzeug, all die komplizierten Gebrauchsgegenstände, die für die Pflege einer solch teuren Maschine benötigt wurden, waren vorhanden. Der hat was von seiner Arbeit verstanden, der alte Chauffeur, dachte Saxon anerkennend und ging in die Hocke, um den Unterbau des Ungetüms zu studieren.
    Mr Spurrey machte sich derweil erleichtert, ja froh auf den Weg in seinen Club. Er hatte einen aufgeweckten neuen Chauffeur, einen gerissenen, ehrgeizigen Burschen, jung und auf der Höhe der Zeit, nicht fast taub, kurzsichtig und von Rheuma geplagt wie Holt. Und er konnte dem guten W. damit heimlich eins auswischen. Es war schließlich nicht seine, Mr Spurreys, Schuld, dass der Chauffeur mit Withers Tochter durchgebrannt war. Und dass er, Spurrey, gerade jetzt dringend einen neuen Chauffeur brauchte und dass der einzig richtige, der perfekte Mann ausgerechnet mit Withers Mädel verheiratet war. Der alte W. konnte doch nicht erwarten, dass er einen so klugen Burschen, der sich mit der neuen Technik auskannte, einfach sausen ließ, bloß weil er Withers Mädel geheiratet hatte? Das wäre unvernünftig. Außerdem freute es ihn, es dem alten W. zeigen zu können, spießiger alter Bursche, engstirnig, viktorianisch. Heutzutage heirateten doch alle ihren Chauffeur oder Gärtner, oder nicht? Was war mit dieser deutschen Prinzessin? Das störte doch keinen mehr. Man muss mit der Zeit gehen. Das Mädel kann sich glücklich schätzen, dass sie so einen gekriegt hat. Wundern tat’s ihn auch nicht: sie war ja schon ein wenig »überständig«, wie man sagt, wenn da ein so hübscher Bursche wie der daherkommt … der alte W. hätte es kommen sehen sollen. Er, Mr Spurrey, hätte es bestimmt gesehen. Und schon packte es ihn wieder. Sich stumm ausschüttend vor Lachen setzte sich Mr Spurrey im stillen Schreibzimmer des Clubs an einen Tisch und begann einen Brief an Mr Wither zu schreiben. Er erwähnte wie beiläufig, dass Holt verstorben sei und er nun einen neuen Chauffeur habe. Und wie gehe es Mr Wither? Und Mrs Wither und den Töchtern? Mr Spurrey saß am Schreibtisch und schüttelte sich vor Lachen.
    »Saxon?«
    »Was liegt an, Puppe?«
    Saxon, der normalerweise so sorgfältig auf eine gepflegte Aussprache achtete, hatte eine große Schwäche: Er liebte es, wie die Amerikaner redeten, ihren Slang und die lässige Art sich auszudrücken, so knapp und knackig. Das bezauberte ihn wie Musik einen Seehund.
    »Komm und hilf mir kurz, die Fenster auszumessen, ja? Normalerweise kann ich das, aber heute will mein Hirn irgendwie nicht.«
    »Wozu denn?«
    »Für Vorhänge. Die hier sind einfach scheußlich. Ich geh dann rasch

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