Der Sommernachtsball
wie?«
»Er sagt, es handle sich um eine Anstellung, Sir.«
»Eine Anstellung? Was soll das heißen? Schicken Sie ihn weg, Cotton; ich bin beschäftigt.«
»Ich hatte es so verstanden, dass er sich um die Stelle bewerben möchte, die durch Mr Holts Ableben frei geworden ist.«
»Ach, warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Schicken Sie ihn rein, ich schau ihn mir mal an. Moment noch, Cotton! Woher weiß der Kerl, dass ich einen Chauffeur suche, he? Da steckt doch was dahinter! Haben wohl Ihren Mund nicht halten können, wie?«
»Nein, Sir. Ich habe Mr Holts Ableben nur in meinem engsten Bekanntenkreis erwähnt, Sir. Ich weiß selbst nicht, woher er es wissen kann, Sir.«
»Na gut. Und wie ist er so?«
»Ganz anständig, scheint mir. Ein aufgeweckter junger Bursche. Gefälliges Äußeres, Sir.«
»Gut, gut. Schicken Sie ihn rein.«
Kurz darauf betrat der aufgeweckte junge Mann, der Mr Spurrey im Sommer während seines Besuchs bei den Withers chauffiert hatte, den Raum.
»Ach, Sie sind das!«, rief Mr Spurrey erstaunt aus. Er starrte Saxon an, der gemessenen Schritts herankam und respektvoll vor Mr Spurrey stehen blieb, die Kappe unterm Arm, ein Bein ein wenig ausgestellt. »Aber Sie heißen doch gar nicht Caker, was? Das war nicht der Name, den mir Ihr Arbeitgeber genannt hat. Saxby, oder? Wieso ändern Sie denn Ihren Namen, he? Da steckt doch was dahinter!«
»Saxon ist mein Vorname, Sir. Mr Wither hat mich immer beim Vornamen genannt.«
»Aha. Dann haben Sie Mr Wither also verlassen? Wieso das denn, he? Doch keine Schwierigkeiten, hoffe ich?« Mr Spurrey stierte Saxon begierig an. Seine wässrigen Papageienaugen in dem rundlichen gelben Gesicht funkelten, die dünnen Lippen hatte er grimmig zusammengepresst.
»Leider doch, Sir. Ich denke, so könnte man es nennen. Ich habe Miss Wither geheiratet, Sir. Miss Tina.«
» Geheiratet , sagen Sie?«, rief Mr Spurrey mit dem lebhaftesten Interesse und Erstaunen aus. »Die Tochter vom alten Wither, he? Geheiratet, meinen Sie?«
»Ja, Sir. Ich habe sie mitgebracht. Wir sind jetzt hier in London.«
»Weiß der alte Wither Bescheid? Natürlich weiß er’s … deshalb sind Sie ja weg, was?«
»Ja, Sir.«
»Hat sich bestimmt ganz schön aufgeregt, he?«, fragte Mr Spurrey mit einer Spur von geradezu diebischer Schadenfreude. »Richtig aus dem Häuschen, was?« Er beugte sich vor und fügte listig hinzu: »Hat’s sicher schwergenommen. Will ja nichts gegen den guten W. sagen, ist einer meiner ältesten Freunde, wissen Sie, aber er ist ganz schön engstirnig, was? Spießig. Altmodisch – viktorianisch. Geheiratet haben Sie sie also! Na so was. Hat einfach die Tochter vom alten Wither geheiratet, mich laust der Affe.« Und Mr Spurrey fing an zu gackern, er konnte gar nicht mehr aufhören. Seine Haut warf Tausende kleine Fältchen, und seine runden, blassen Augen stierten glasig zwischen gelblichen Fettwülsten hervor, die schmalen Lippen noch fester zusammengekniffen als zuvor – ein befremdliches Schauspiel.
Saxon verzog keine Miene, musterte den alten Mann ernst und respektvoll. Alter S…, dachte er, alter M…
Schließlich beugte sich Mr Spurrey vor und sagte prustend und mit wässrigen Augen:
»Die war sicher ganz schön froh, dass sie Sie gekriegt hat, he?«
Und schon gackerte er wieder los, Saxon aus den Augenwinkeln beobachtend.
Der junge Mann schaute mit einem bescheidenen Lächeln auf seine Kappe, sagte jedoch nichts. In seinem Hinterkopf nistete der Gedanke, dass Tina wahrscheinlich tatsächlich froh gewesen war, ihn zu kriegen. Es gab also keinen Grund, sich an dem zu stören, was Mr Spurrey gesagt hatte. Und das tat er auch nicht. Es war ihr ganz privater kleiner Witz, von Mann zu Mann. Tina brauchte nie was davon zu erfahren.
»Und Sie haben nicht mehr viel Geld, was?«, stocherte Mr Spurrey. Saxon schüttelte den Kopf. Mr Spurrey beugte sich noch weiter vor und sagte mit gedämpfter Stimme:
»Sie ist doch nicht etwa – guter Hoffnung? Wenn Sie verstehen, was ich meine?«
»Noch nicht«, antwortete Saxon kühl.
Das gefiel Mr Spurrey. Schon gackerte er wieder los. Dann jedoch zündete er sich eine Zigarre an und wurde ernst.
»Woher wussten Sie eigentlich, dass ich einen Chauffeur suche, he?« Er musterte Saxon mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen. Mr Spurrey war ein fieser alter Knochen, aber er war kein Narr und ließ sich von niemandem ausnutzen; wäre er ein wenig gutgläubiger gewesen, hätte er vielleicht sogar Freunde
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