Der Sommernachtsball
wie möglich.«
Ihre Tante schnappte schockiert nach Luft, aber bevor sie etwas sagen konnte, kam der Mangel an Poesie in Person in einem attraktiven Blusenkleid hereingeschwirrt. Phyl strotzte scheinbar vor Gesundheit und Energie, aber sie redete schneller, und ihr Ton war schriller als früher. Die Anstrengung, vor den Augen der Gesellschaft die Rolle einer Schönheit zu spielen, sich auf ihre Hochzeit vorzubereiten, Gestaltung und Möblierung der neuen Londoner Wohnung zu überwachen und mit Victor verlobt zu sein, der ihr von Tag zu Tag mehr auf die Nerven ging, das alles forderte seinen Tribut, selbst bei einer so robusten Natur wie ihr.
»Alles Gute«, sagte sie zu Hetty, »na, gefällt dir die Kosmetikbox? Edna, Vic ist doch nicht etwa schon weg ? Nicht zu fassen! Ich hab ihn gestern Abend doch extra gebeten zu warten, bis ich runterkomme, weil ich ihm dieses Armband mitgeben wollte, das er zurückbringen muss. Diese Idioten haben es zu weit gemacht, jetzt rutscht es mir runter, wenn ich es anlege. Außerdem wollte ich, dass er dieses Parfüm für mich abholt, ich brauche es unbedingt für heute zur Party, und diese Idioten sagen, sie können es frühestens heute Abend vorbeischicken. Könnte ich bitte frischen Toast haben? Was hast du sonst noch geschenkt bekommen, Hetty? Ach, Hilfe … Bücher. Von wem? Gottchen, was für ein komischer Einband.«
»Von einer ehemaligen Schulfreundin. Du kennst sie nicht.«
»Noch so eine von deinen Streber-Freundinnen, nehme ich an. Edna, hat Vic denn gar nichts gesagt? Wegen des Armbands? Ich will es heute tragen, das weiß er ganz genau, und es wäre so einfach gewesen, wenn er’s heute früh hingebracht hätte, dann hätten sie’s im Lauf des Tages ändern können, und er hätte es abends nach der Arbeit wieder abgeholt. Hach, das ist zu blöd! Hetty, für dich hab ich noch gar nichts zum Geburtstag, ich hatte einfach so viel um die Ohren, aber ich dachte, vielleicht hättest du gern meine alte Fuchsstola, nur hab ich sie im Moment nicht da, Anthea hat sie. Vic schenkt mir eine neue, und ich dachte, die alte würde dir gut stehen.«
Hetty wurde ganz weiß um die Nase. »Zu nett«, entgegnete sie kühl. »Aber ich halte nichts davon, sich die Haut von toten Tieren um den Hals zu hängen. Und wenn die Haut dieses toten Tiers außerdem schon zwei Jahre lang um deinen Hals gehangen hat, dann ist mir allein die Vorstellung zuwider. Wenn du mir den Fuchs schenkst, verbrenn’ ich ihn.«
Geschockte Stille.
»Oder noch besser«, fuhr sie gedehnt fort, »ich gebe sie Heyrick, der kann sie dann im Abfallofen verbrennen. Dann muss ich sie wenigstens nicht anfassen.« Sie köpfte geschickt ihr Frühstücksei.
Phyllis lachte zornig. Auf ihren gebräunten Wangen hatten sich zwei rote Flecken gebildet.
»Brauchst nicht gleich so patzig zu werden, bloß weil sie nicht mehr ganz neu ist. Ich hätte dir ja eine neue gekauft, wenn ich im Moment nicht so knapp bei Kasse wäre. Bloß gut, dass ich’s nicht gemacht hab’ – du eingebildete, arrogante, fiese kleine Göre! «, kreischte sie schrill.
Hetty sprang auf die Füße.
»Ruhe! Alle beide!«, rief Mrs Spring zornig. »Ihr solltet euch schämen – euch zu streiten wie zwei Kinder! Hetty, du entschuldigst dich sofort bei Phyllis.«
Hetty schüttelte den Kopf und ging.
Mit diesem erfrischenden Krach begannen die Feierlichkeiten von Hettys einundzwanzigstem Geburtstag. Als gegen drei Uhr nachmittags die ersten Gäste zum Tee und zum Tennisspielen eintrafen, blieb es mal wieder an Mrs Spring hängen, für eine unbekümmerte, entspannte Atmosphäre zu sorgen. Hetty schlich, immer noch weiß um die Nase, im Haus herum, und Phyllis spulte immer wieder dasselbe ab: Victor, das Armband, das Parfüm und Hettys absurdes Verhalten, über das sich andere vielleicht aufregen würden, das aber sie, Phyllis, lediglich amüsierte, da sie ja Sinn für Humor habe. Gegen vier Uhr platzte Mrs Spring fast der Schädel, und ihr war gar nicht danach, sich unter die Gäste zu mischen, wie es die Sitte verlangte.
Trotzdem, sie mischte sich unter sie, und gegen sechs war die Party in vollem Gange. Die ungefähr dreißig jungen Leute aus Stanton, Chesterbourne, Dovewood Abbey und Lukesedge hatten offensichtlich ihren Spaß. Man stand, barhäuptig und im Mantel, fröhlich schwatzend auf der sonnigen, aber kühlen Veranda, man spielte in der frischen Frühlingsluft eine Partie Tennis, oder man tummelte sich im Wohnzimmer vor dem Radioapparat. Hetty
Weitere Kostenlose Bücher