Der Sommernachtsball
Madam«, antwortete Fawcuss nach einer Pause, die Mrs Theodore zeigen sollte, dass Dienstmädchen auch eine Seele hatten und eine Privatsphäre, genauso wie kleine Verkäuferinnen, die ihren Verwandten auf der Tasche lagen und die Mr Theodore eingefangen hatten, auch wenn er kein besonderer Fang gewesen war.
»Was dann?«
»Es kommt von Grassmere herüber, Madam. Mr Spring veranstaltet eine Party, sagt Saxon.«
»Wie nett«, murmelte Viola.
»Sie sind mit dem Radioapparat auf dem Wasser, sagt Saxon«, fuhr Fawcuss missbilligend fort. Wie die meisten Frauen, die in einem kleinen Flussstädtchen aufgewachsen waren, war sie erst ein einziges Mal »auf dem Wasser« gewesen und empfand es als gefährlich und darüberhinaus ordinär.
»In Booten, meinen Sie?«
»Ja, Madam. Sagt Saxon.«
Deshalb also wehte die Musik durch die laue Abendluft über den weiten, stillen Fluss und das kleine Wäldchen im Tal bis zu ihnen.
Viola ging langsam nach oben.
Und träumte vor sich hin …
Von Victor Spring, dem sie heute zum ersten Mal richtig begegnet war. Sie war nicht so romantisch verstiegen, unerfahren oder unvernünftig, dass sie sich in einen Mann verliebt glaubte, den sie erst einmal für ein paar Minuten gesehen hatte. Aber ihre Einbildungskraft war aufs Höchste angeregt, weil schon gewissermaßen »vorgewärmt« von den über ihn kursierenden Legenden aus ihrer Kindheit. Sein gutes Aussehen, die solide Eleganz seines Autos und seiner Erscheinung, sein entschiedenes, selbstbewusstes Auftreten, all dies belebte nun die Träume, die sie zusammen mit allen anderen Mädchen aus der Gegend geträumt hatte.
Vom Wäldchen, dessen Baumspitzen nun rosig grün in der Abenddämmerung leuchteten, kam eine jähe, wunderschöne Lautfolge. Was ist das für ein Vogel?, fragte sie sich und spähte suchend zu den fernen Bäumen. Und noch einmal! So klar und deutlich. Dann nur noch Stille.
Mrs Wither durchquerte derweil die Diele, deren dunkelblaue Fliesen in der hereinbrechenden Nacht nicht mehr von den schwarzen zu unterscheiden waren. Sie klopfte leise an Mr Withers Arbeitszimmertür, aber es kam keine Antwort. Nach einer kurzen Pause klopfte sie erneut, dann öffnete sie entschlossen die Tür und trat ein.
Es war fast dunkel in dem kleinen Raum, das letzte Sonnenlicht sickerte durch das hohe Fenster herein. Mr Wither saß zurückgelehnt in seinem alten Sessel, die Hände auf dem Bauch gefaltet. Als sie eintrat, drehte er ein wenig den Kopf und sagte: »Bist du das, Emmie?« Sein Ton war derart erschöpft und mutlos, dass ihre Besorgnis noch zunahm.
Sie war zögernd in der offenen Tür stehen geblieben. »Sollte ich nicht vielleicht das Licht anschalten, Lieber?«
»Nein, nein, vollkommen unnötig«, erwiderte er ungehalten, »jetzt komm schon rein und mach die Tür zu.«
Sie tat es und nahm dann auf einem unbequemen kleinen Stuhl ihm gegenüber Platz. Eine Weile herrschte Schweigen.
»Fühlst du dich unwohl, mein Lieber?«
Mrs Wither ahnte, was los war; es war nicht so, dass sie ihn noch nie so erlebt hatte. Aber noch nie zuvor hatte er vor den Augen der Mädchen seinen Nachtisch stehen gelassen. Normalerweise äußerte sich seine Niedergeschlagenheit darin, dass er die Mädchen ausschalt oder sich in Schweigen hüllte, aber noch nie war er von seinem gewohnten Verhalten abgewichen. Der Nachtisch wurde gegessen, mochte auch der ganze Aktienmarkt zusammenbrechen.
»Möchtest du etwas Natron, Lieber?«, schlug Mrs Wither nach einer Weile vor. Sie wollte ihm die Gelegenheit geben, seinen Stolz zu wahren, indem sie tat, als habe er eine Magenverstimmung.
Er schüttelte den Kopf. Mrs Wither blieb geduldig im immer dunkler werdenden Zimmer bei ihm sitzen. Irgendwann würde er schon anfangen, ihr zu erzählen, was Mr Spurrey jetzt schon wieder gesagt hatte.
So war es meistens nach einem Besuch von Mr Spurrey. Mrs Wither war darauf vorbereitet und wollte auf ihre gewohnte Weise damit umgehen. Aber sie war nicht darauf gefasst gewesen, dass er seine Nachspeise stehen lassen würde.
Er kann Schocks, schlechte Nachrichten und Streit nicht mehr so gut ertragen wie früher, der Arme, dachte Mrs Wither mit einem innerlichen Seufzen. Wirklich zu schade, dass die Mädchen ihm ausgerechnet heute Abend so zusetzen mussten.
Aber eigentlich ist das alles Mr Spurreys Schuld, dachte Mrs Wither. Nicht nett, gar nicht nett von dem Mann.
Es ist schwer zu sagen, welchen Nutzen Mr Spurrey auf dieser Welt hatte, doch stellte sich gewöhnlich
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