Der Sommernachtsball
Morgens in seinem Bett und starrte zur Decke.
Sein Fenster ging zum Wald hinaus; von dort, wo er lag, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, konnte er die Wipfel der Buchen sehen. Das Bettleinen war grob, aber sauber geschrubbt, ebenso sein alter, abgetragener Flanellpyjama. Der ganze Raum wirkte ärmlich, aber peinlich sauber. Selbst die Fensterscheiben funkelten wie Prismen in der hereinfallenden Sonne.
Er schlief nie sonderlich gut; schon nicht mehr, seit er ein kleiner Junge war. Was vermutlich daran lag, dass ihm einfach zu viel im Kopf herumging. Die Fettärsche, wie er die meisten seiner Mitmenschen nannte, schliefen sorglos die Nacht durch, weil sie nichts im Hirn hatten und sich nie Gedanken über ihr Leben machten. Darüber, was man vom Leben wollte und wie man es am schnellsten und effizientesten bekommen konnte. Zurzeit schlief er noch schlechter als sonst, weil er sich Sorgen machte. Die Arbeit bei den Withers begann ihn anzuöden, und er hätte sich gerne etwas anderes gesucht, wusste aber nicht, was. Wenn er bei den Withers kündigte, dann nur für etwas Besseres, selbst wenn es nur ein bisschen besser sein sollte. Verschlechtern wollte er sich auf gar keinen Fall, lieber blieb er, wo er war. Aber er war jetzt fast dreiundzwanzig und schon sechs Monate bei den Withers; höchste Zeit, die Fliege zu machen. Er hatte alles gelernt, was es über das Chauffieren und den Motor von Mr Withers Auto zu lernen gab; er sehnte sich nach einem anspruchsvolleren und besser bezahlten Posten.
Die Männer von der Tankstelle, in der er ausgeholfen und alles über Autos gelernt hatte, meinten immer, er solle es doch mal im noblen, exklusiven Stanton versuchen, dem Strandbad, das nur gut zwanzig Meilen von Chesterbourne entfernt lag. Dort tummelten sich jede Menge Reiche mit dicken Schlitten, die ihn mit Handkuss nehmen würden, meinten sie. Selbst in Chesterbourne, diesem langweiligen Nest, gab es ein paar gut betuchte Geschäftsleute mit großen Autos und einem Chauffeur. Alles besser, als für den alten Wither zu arbeiten, oder? Ein cleverer junger Bursche wie du!
Aber Saxon wollte nicht weg aus Sible Pelden; er wollte es den Leuten hier zeigen, jenen, die ihn noch als dreckigen Bengel kannten, der sich mit einer Bande von Jungs herumtrieb und dessen Vater ein Trunkenbold gewesen war. Er wollte ihnen zeigen, dass er etwas aus sich machen konnte. Jetzt trug er eine elegante Uniform, verdiente anständig und konnte sogar ein bisschen was beiseitelegen. Er hätte natürlich nach Stanton gehen können, aber dort, so nahe es auch war, kannte ihn niemand mehr, würde niemand mehr sehen können, was er aus sich machte. Und London – London war riesig, dort würde er ganz einfach in der Masse verschwinden wie eine Stecknadel im Heu. Er hatte den alten Wither ein, zwei Mal nach London gefahren; und obwohl er wusste, dass London groß war, ja sogar einige Zahlen kannte, was Einwohnerzahl und Fläche betraf (er las gewissenhaft Zeitung), überwältigte ihn die schiere Größe der Stadt. Sie wollte gar nicht mehr aufhören, und dabei war das, was er davon gesehen hatte, nur ein kleiner Teil gewesen. Nein, nach London traute er sich noch nicht. Später vielleicht. Zuerst mal wollte er all den Fettärschen, mit denen er zur Schule gegangen war, zeigen, dass es mit jeder neuen Stelle für ihn bergauf ging.
Aber bessere Stellen waren rar in Sible Pelden. Mr Springs Chauffeur, Colonel Phillips’ Chauffeur, Sir Henry Maxwells Chauffeur waren alle verheiratet und hatten Familie; die konnten es sich nicht leisten, ihre Stelle aufzugeben und sich woanders was zu suchen.
Es gibt hier einfach nichts für mich, dachte er und starrte mit seinen kühlen grauen Augen in den diesigen Morgenhimmel.
Tina hatte Herz und Verstand nicht etwa an einen Tunichtgut mit einem Paar breiter Schultern verloren. Saxon war etwas, das es nicht sehr oft gab: schön, aber ausgesprochen männlich. Gewöhnlich wird eine solche Schönheit bei Menschen seiner Klasse – in den Augen von Menschen höherer Klassen – durch eine gewisse Grobheit von Haut und Haar beeinträchtigt. Doch nicht in diesem Fall: An Saxons Haut und Haar gab es nichts auszusetzen, er hatte sie von seiner Mutter geerbt; ebenso wenig an seiner Stimme und an seinen Manieren. Sein Ehrgeiz und sein ungeduldiger Hass auf sein schmutziges Zuhause und seinen Vater, den Säufer, hatten seiner Natur eine Feinheit verliehen, die sich auch in seinem Körper zeigte. Seine Schönheit lenkte die
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