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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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sie noch über einen Scherz des Doktors gelacht, den Saxon geholt hatte.
    Bloß nicht dran denken. Denen werde ich’s zeigen. Er spritzte sich mit kaltem Wasser ab; rasieren würde er sich unten.
    Seine Mutter war stolz auf sein gutes Aussehen, weil er das von ihr hatte. Widerwillig bewunderte sie ihn für das, was er erreicht hatte, meinte, er sei »ein richtiger Schlawiner« und ein gerissener Gauner. Manchmal stritten sie sich heftig, weil sie so schlampig war. Auch hasste er mit dem Abscheu jener, denen die Liebe noch fremd ist, die große Anziehungskraft, die sie auf Männer ausübte. Ja, er schämte sich für sie.
    Manchmal lud er ein Mädel aus Chesterbourne ins Kino ein und knutschte danach eine Viertelstunde lang mit ihr, bevor er Gute Nacht sagte. Aber er hatte keine, mit der er fest ging, und war nie übers Knutschen hinausgekommen. Er mochte Mädchen und Frauen, die Ladys waren. Nicht Ladys wie Mrs Theodore, die als Verkäuferin gearbeitet hatte und daher gar keine Lady sein konnte, sondern Ladys wie die, die bei den Springs ein- und ausgingen, deren Alltag mit ihm unbekannten und daher romantischen Aktivitäten ausgefüllt war. Er bewunderte sie, weil sie nicht arbeiten mussten und das Leben genießen konnten. Er war nicht neidisch, weder auf sie noch auf die Reichen aus der Nachbarschaft, denn er wusste mit kühler Gewissheit, dass auch er es einmal zu etwas bringen würde. Wie genau, war noch unklar, aber sein ganzes Sinnen war darauf ausgerichtet. Dann würde er es den Fettärschen zeigen.
    Bis dahin konnte er damit zufrieden sein, dass er gelernt hatte, sich selbst und sein Zimmer in Ordnung zu halten, regelmäßig Zeitung zu lesen, sich von liederlichen Frauenzimmern fernzuhalten, anständig zu sprechen und mit einem 1930er Austin Saloon sachgerecht umzugehen.
    Trotzdem, dachte er, einen Hosenträger festmachend, ich wünschte, ich hätte eine Stelle, die mir mehr abverlangt. Diese hier ist so deprimierend, es fällt mir schwer, mich nicht gehen zu lassen. Ich hätte Miss Tina nicht zulächeln dürfen, das war blöd von mir. Hätte mich die Stelle kosten können, wenn sie’s in den falschen Hals gekriegt hätte. Dabei hab ich’s bloß gemacht, weil’s ein so schöner Tag war und sie früher so ein niedliches kleines Ding war. Was Mrs Theodore angeht, die ist doch noch ein Küken. Ist nicht so, als würde man einer Lady zuzwinkern. Die sagt schon nichts. Außerdem war sie schon mal verheiratet. Auch ein hübsches Ding übrigens. Muss für sie ganz schön öde sein hier. Gott, wie öde! Mann, ist das hier öde oder ist es öde!
    Bei der Jugend von Chesterbourne war diese Redeweise der letzte Schrei, und man konnte sie überall hören. Ist es heiß oder ist es heiß? Brauch’ ich jetzt einen Kaffee oder brauch’ ich einen Kaffee? War das vielleicht ein Regen oder war das ein Regen? Die Älteren hielten es für albern und dumm, so zu reden. Das ergibt doch keinen Sinn!, murrten sie pikiert.
    Ich brauche unbedingt eine bessere Stelle , dachte Saxon, während er leichtfüßig die Treppe hinunterlief, das Chauffeursjackett über dem Arm. Aber dabei war er nicht etwa verzweifelt oder bekümmert; er dachte es mit praktischer Vernunft. Weder er noch seine Mutter hatten einen Sinn für Tragik. Ihr Leben war tragisch, aber das machte sie nicht tiefsinniger, denn die Tragik fand in ihrem Charakter keinen Halt. Die langwierige Lebenstragödie seines Vaters hatte Saxon nicht bitter gemacht, sondern nur noch ehrgeiziger und entschlossener.
    Es schien also, als habe Tina nicht nur einen guten Geschmack für Kleidung, sondern auch für junge Männer. Obwohl Mr Wither da wahrscheinlich anderer Meinung gewesen wäre, hätte man ihm gesagt, seine jüngste Tochter sei drauf und dran, sich in den Chauffeur zu verlieben.
    Sie selbst glaubte nur deshalb an Saxon interessiert zu sein, weil es in dieser Gegend keine jungen Männer aus ihrer eigenen Schicht gab, in die man sich verlieben konnte. Hätte es hier ein paar nette, gut aussehende und gut betuchte Junggesellen gegeben, mit denen man tanzen oder Tennis spielen hätte können, dann wäre Tina (die eher feige war, auch wenn sie das mithilfe von SELENES TÖCHTERN zu überwinden versuchte) nie so leichtsinnig gewesen, sich zu einem proletarischen Habenichts wie Saxon hingezogen zu fühlen. Selbst wenn seine Schönheit ihre Sinne betörte – ihr gesunder Menschenverstand hätte mit solchen Spinnereien kurzen Prozess gemacht.
    Aber es gab keine Männer: es gab

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