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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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sich im Grunde im guten alten Grassmere fühlte. Auch er mochte all das, was seinen urbanen Freunden gefiel: schnelle Autos, schöne Frauen, teurer Alkohol, Golf, Wett-Tipps, Klatsch und Tratsch, aber er mochte es auf schlichte Weise, denn seine Natur war schlicht und aufrichtig. Sein Vater stammte aus Derbyshire, seine Mutter aus Hampshire, und von dort ist es ein weiter Weg zur Levante.
    Er stand nun gemächlich auf, mit den Gedanken bei praktischen Dingen. Er entwarf ein paar Briefe, die er seiner Sekretärin diktieren wollte. Er ärgerte sich über General Franco und die spanische Regierung, deren Bürgerkrieg ihm eine seiner neuen Unternehmungen erschwerte: eine Flotte kleinerer Jachten für Luxus-Kreuzfahrten. Er überlegte, ob er seinen Co-Direktoren raten sollte, einer dubiosen Firma Geld zum Bau eines Piers mit Amüsement-Arkaden zu leihen, die diese trotz lautstarker Proteste der ohnmächtigen Bevölkerung eines kleinen Küstenstädtchens in Dorset errichten wollte. Und er durfte nicht vergessen, seiner Sekretärin zu sagen, dass sie ihm andere Kekse zum Tee geben sollte, denn er hasste Kokosnuss. Außerdem beschloss er, sich heute mal das alte viktorianische Herrenhaus in Hatfield anzusehen, das seine Co-Direktoren abreißen wollten, um einen Swimmingpool zu bauen. Wie er wusste, würden sie im Zweifelsfall immer und überall einen Swimmingpool bauen. Aber er wollte die Lokalität erst mal selbst in Augenschein nehmen.
    Kein Wunder, dass Victor von einem vagen Unmut über die Unannehmlichkeiten des Landlebens erfüllt war: Seine Firma, Spring Developments Association Ltd., zerstörte das Land mit sorgloser Unbekümmertheit, und zwar mehrere Quadratmeilen pro Monat. Sein Unmut mochte eine Art Rache des Landes sein. Bewusst empfand er jedenfalls keine Skrupel was die Art anging, wie er sein Geld machte. Wenn Künstler oder vertrocknete Mumien, die bereits mit einem Bein im Grab standen, ihm mit dem Denkmalschutz oder mit diesen Terroristen vom NATIONAL TRUST drohten, dann antwortete er, Geschäft sei Geschäft, und meinte es auch so. Trotzdem, er kam selbst vom Lande, war auf dem Lande aufgewachsen; seine wachsende Unzufriedenheit mit dem Landleben mochte sehr wohl in Wahrheit einem Schuldgefühl entspringen. Wenn er in London lebte, brauchte er nicht die Häuser sehen, die seine Firma an der Bracing Bay errichtete und die schleichend den schönen Landstrich zwischen Küste und Sible Pelden eroberten.
    Na, ich kann mir auf dem Rückweg von Hatfield ja mal diese neuen Apartmentblocks am Buckingham Square anschauen, dachte er, während er eine breite hellgraue Krawatte umband.
    Er wählte seine Kleidung sorgfältig. Seine Garderobe war teuer und makellos und erweckte den Eindruck, als könne sich ein vernünftiger Mann gar nicht anders kleiden. Er gab eine ganze Menge Geld für Kleidung aus, da er so viele Interessen pflegte und es notwendig war, die dafür korrekte Kleidung zu tragen, selbst wenn es um Anlässe ging, bei denen man nur herumstand. Natürlich ließ sich diese Kleidung nicht für andere Zwecke gebrauchen. Unmöglich, in den Golfklamotten zum Wandern zu gehen. Oder im Rudertrikot zum Tennis.
    Seine souveräne, kultivierte Ausstrahlung, die einige einschüchternd, Frauen jedoch attraktiv fanden, beruhte zu zwei Dritteln auf seiner Garderobe. Niemand sah Victor nackt, außer sein Masseur im türkischen Bad und einige obskure Damen, die er für würdig befand, dieser Ehre zuteilzuwerden. Der Masseur dachte sich nichts, außer dass Mr Spring wirklich gut in Form war, und was jene Damen dachten, gehört nicht hierher. Was sich jedoch sagen lässt, ist, dass Victor im Adamskostüm schlicht, warmherzig und freundlich wirkte, was er auch war (außer wenn jemand seinen Zug verpasste oder vergaß die Rosen zu beschneiden).
    Beim Gedanken an eine Stadtwohnung musste er an Phyl denken. Leise vor sich hin pfeifend stand er am Fenster und schaute hinaus, während er sein Haar klatschend mit zwei Striegeln bearbeitete.
    Gute alte Phyl. Ein echter Hingucker, sie hatte Klasse. Er mochte es, mit ihr zu knutschen – wobei er das vage Gefühl, dass sie es nicht ganz so sehr mochte wie er, entschlossen verdrängte. Sie war ein guter Sportskamerad, jammerte nie, wenn sie mal ein Spiel verlor. Allerdings verlor sie auch kaum eins oder, besser gesagt, gegen ihn verlor sie oft, aber dafür war auch sein ganzer Einsatz nötig, und das gefiel ihm nicht. Einem guten Kampf mit einem Mann wich er nie aus, aber das war etwas

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