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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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charmant sie sei, und die sie geküsst hatten. Fünf Mal. Sie war von fünf Männern geküsst worden. Nun ja, sechs. Aber der junge Farquhar war betrunken gewesen, und das zählte ja wohl nicht, wenn man ehrlich war.
    Warum nur (und dieser Pfad war so ausgetreten, dass sie sich, noch während der Gedanke aufstieg, voll Überdruss davon abwandte) kann ich keinen finden, der mich liebt? Andere Frauen finden doch auch Männer, und die sehen oft nur halb so gut aus wie ich.
    Allerdings muss man sagen, dass ich mich immer nach der wahren Liebe gesehnt habe, nicht nach einer flüchtigen Affäre, und das schreckt die Männer ab. Sie mögen es nicht, wenn man das alles zu ernst nimmt.
    Während sie so dalag, mit den alten, ausgetretenen Gedanken, die folgsam durch ihren Geist zogen, teilweise aus Gewohnheit, teilweise hervorgerufen durch die Stille des frühen Morgens, war ihr bewusst, dass da im Hinterkopf noch ein Gedanke wartete, der alles andere als abgestanden war, sondern so frisch, dass er beinahe einem echten Gefühl glich, mit der ganzen köstlichen Macht eines Gefühls, Gedanken abzutöten. Sie hatte Saxon noch nicht gesagt, dass er ihr Fahrstunden geben sollte, doch das wollte sie heute tun.
    Tina hatte es aufgegeben, ehrlich mit sich zu sein, hatte SELENES TÖCHTER in eine Schublade verbannt und beschlossen, wenn schon nicht ehrlich, so doch zumindest vernünftig zu sein. Nur der Himmel und Doktor Irene Hartmüller wussten, wo es hingeführt hätte, wenn sie weiterhin versucht hätte, ganz ehrlich mit sich zu sein. Eine solche Ehrlichkeit führt irgendwann dazu, dass man wünscht, die Sehnsüchte möchten wahr werden. Sie spürte das auf eine vage Weise.
    Ich hab das Ganze viel zu schwer genommen, wie immer, sagte sie sich und setzte sich auf. Ihr braunes Haar fiel ihr schlaff und leblos um die dünnen Schultern. Nimm’s, wie’s kommt. Klar, dass ich ihn attraktiv finde – hier, in diesem Nest (dachte sie mit grimmiger Vernünftigkeit), wo’s weit und breit keinen passenden Mann gibt. Sie streckte sich gähnend.
    Wenn ich erst mal mit dem Fahren angefangen habe, habe ich ja womöglich so viel Spaß daran, dass mir die Lust auf Saxon vergeht (sie benutzte bewusst einen abwertenden Ausdruck, weil sie ihre Gefühle für Saxon abwerten wollte) und eine Autonärrin aus mir wird.
    Voller Entschlossenheit schlug sie die Decke zurück und sprang aus dem Bett, wobei sie die leise Stimme in ihrem Hinterkopf, die in trockenem Ton wohl kaum bemerkte, zu ignorieren versuchte.

9. KAPITEL
    Was sich gegen elf Uhr vormittags auf dem Hinterhof von The Eagles abspielte, lässt sich nur als höchst libidinös bezeichnen. Tina, die herausgeschlendert kam, um mit Saxon zu reden, stieß auf Madge, die bei Colonel Phillips gewesen war und nun mit einem pummeligen, dickpfötigen Etwas zurückkehrte, das mit hechelnd heraushängender rosa Zunge hinter ihr hertappte: der Sealyham-Welpe. Madge strahlte vor Aufregung und Freude, gab sich jedoch alle Mühe, ein strenges Gesicht zu machen, denn es ist wichtig, einem Hund vom ersten Moment an klarzumachen, wer der Herr im Hause ist. Sie lehrte ihn gerade, bei Fuß zu laufen.
    »Ist er das? Ach, wie süß!«, rief Tina aus. Auch ihre Augen glänzten vor Freude. Was für ein herrlicher Morgen! Sie wünschte sich, durch die klare blaue Luft davonzufliegen. Auf dem Hof stand das Auto, und dort war auch Saxon, der es wienerte. Gestern hatte er Mr Wither nach Chesterbourne gefahren, ein außerordentlich trister Ausflug. Obwohl er ernst und sachlich dreinzublicken versuchte, konnte er ein Schmunzeln über das Hündchen nicht unterdrücken.
    »Nicht, lass ihn«, bat Madge eilig. Tina war stehen geblieben und hielt dem Hündchen einen Finger hin, an dem dieses begeistert kaute. »Du glaubst nicht, wie wichtig es ist, sie von Anfang an ordentlich zu erziehen. Ich möchte ihn anständig abrichten. Es gibt nichts Schlimmeres als einen ungezogenen Hund.«
    Sie rammte ihre Fäuste tiefer in die Taschen ihres Tweed-Kostüms und rief, breitbeinig dastehend, in halblautem, strengem Ton: »Bei Fuß!«
    Das Hündchen lief tapsig zu Saxon und beschnupperte ihn.
    »Bei Fuß«, wiederholte Madge streng. Das Hündchen lief tapsig zu Tina und beschnüffelte sie.
    »Bei Fuß.«
    »Wie niedlich er ist! Ein richtiger Wonneproppen!« Tina nahm ihn lachend hoch. »Komm und gib deiner Tante Tina einen Kuss.«
    »Ach, nein, bitte nicht!«, rief Madge in höchster Aufregung. »Er muss lernen zu kommen, wenn ich ihn rufe.

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