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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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Wenn du ihn dauernd ablenkst, lernt er’s nie. Setz ihn bitte wieder ab.«
    Tina setzte ihn ab.
    »Bei Fuß!«, sagte Madge in demselben strengen, aber ruhigen Ton. Diesmal kam das Hündchen zu ihr und beschnupperte ihre derben Halbschuhe.
    »Na bitte!« Madge strahlte. »Er wird’s schon lernen. Hartnäckigkeit zahlt sich aus!« Sie bückte sich und tätschelte das Hündchen einmal kurz und streng. »Braver Hund!«
    »Wie willst du ihn nennen?«
    »Polo.«
    »Was?«
    »Polo.«
    »Wie, Polo das Spiel oder nur Polo?«
    Madge lachte gutmütig. »Sei nicht blöd, Tina, man kann einen Hund doch nicht Polo das Spiel nennen. Einfach Polo natürlich. Nicht schlecht, oder? Es gibt viel zu viele Jerrys und Whiskys und Bellos, die hat man ja allmählich satt.«
    Sie führte Polo zu seiner brandneuen Hundehütte, die so nahe beim Hintereingang platziert war, wie Madge es nur hatte wagen können. Mit einer Stimme, die, wie Tina schwante, Madges Polostimme werden würde, begann sie ihm beizubringen, wie er die Hütte zu benutzen hatte.
    Wie schön, die gute alte Madge so glücklich zu sehen, dachte Tina, während sie zum Auto ging. Irgendwie erbärmlich zwar, dass sie zehn Jahre jünger aussieht und sich wie ein Kind freut, bloß weil sie einen Hund gekriegt hat, aber sie weiß ja nicht, wie erbärmlich das ist, also macht es nichts.
    Sie selbst war aufgekratzt und zuversichtlich; die schwermütige Stimmung von heute früh war verflogen. Als Saxon bei ihrem Näherkommen zu polieren aufhörte, sich aufrichtete und ihr respektvoll und fragend entgegenblickte, konnte sie freundlich und ohne den kleinsten Anflug von Panik zu ihm sagen:
    »Ah, guten Morgen, Saxon. Ich würde gerne Autofahren lernen. Könnten Sie mir Fahrstunden geben? Würde das noch in Ihren Arbeitsplan passen? Mit dem Garten und allem?«
    »Doch, Madam, das ginge«, sagte er mit einer höchst korrekten Miene. Er hatte eine angenehme Stimme, sprach weder Dialekt und versuchte auch nicht, die Redeweise feiner Leute nachzuahmen. Es war eine natürliche, attraktive Stimme, die jedem jungen Mann gestanden hätte. Tina merkte nicht, wie besorgt sie auf diesen Moment gewartet hatte, um sich mit eigenen Ohren überzeugen zu können, ob sie wirklich so angenehm war, wie sie es sich, beschämenderweise, erträumt hatte.
    »Ah, gut. Also, könnten wir dann vielleicht so bald wie möglich anfangen? Es ist gerade so schönes Wetter, und bald wird es heiß und höchstwahrscheinlich staubig. Ich hasse es, Auto zu fahren, wenn es staubt.«
    Das stimmte alles. Und wie vernünftig und logisch es war! Das lief ja so weit prima, alles ganz normal. My true love hath my heart and I have his , sagte plötzlich die leise Stimme in ihrem Kopf, während sie gefasst in Saxons kühle graue Augen schaute. Klappe , dachte Tina wütend, das ist doch bloß Hysterie und hat nichts zu bedeuten .
    »Ja, Madam, es kann später tatsächlich ziemlich staubig werden. Möchten Sie vielleicht gleich jetzt Ihre erste Fahrstunde nehmen, Madam? Ich bin hier fast fertig. Wir könnten damit anfangen, dass ich Ihnen erkläre, wie alles funktioniert.«
    Mit seinem respektvollen, aber selbstbewussten Ton nahm er die Sache in die Hand, was Tina gar nicht passte, da sie gern die Kontrolle behalten hätte. Aber sie konnte es nicht ertragen, nach diesem Gespräch mit ihm ins kalte, stille Haus zurückzukehren und für den Rest des Tages aus dem Fenster zu den Wolken emporzustarren, während sie sich die Nägel feilte und die leise Stimme in ihrem Kopf zum Schweigen zu bringen versuchte. Daher antwortete sie:
    »Gute Idee. Ich bin in fünfzehn Minuten wieder da, ja?«
    »Sehr wohl, Madam.«
    Tina überquerte mit flottem, munterem Schritt den Hof und betrat das Haus. Ja, Autofahren lernen war wirklich eine gute Idee; sicher würde es irgendwann nützlich sein, man konnte nie wissen. Höchste Zeit, dass ich’s lerne, dachte sie, während sie nach oben ging. Hätte es schon vor Jahren lernen sollen, bloß – ( … ihre Gedanken schreckten zurück wie eine Herde verängstigter Schafe), na, ich war wohl zu faul, nehme ich an.
    Im offenen Wohnzimmer saß noch jemand, der faul war, und aalte sich müßig in der hereinfallenden Sonne, auf dem Schoß einen aufgeschlagenen Roman – ihre ein wenig beschränkte, aber liebenswerte Schwägerin. Tina fuhr ein Stich ins Herz. Faul und ein wenig beschränkt mochte sie ja sein, aber wie jung sie noch war!
    »Wieso so eilig?«, fragte Viola mürrisch. Es gibt für einen Faulpelz

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