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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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es nicht rot war und voller Spangen und einem unschicklich kurzen Rock, dass er fast alles gutgeheißen hätte). Tina riss ihre großen braunen Augen weit auf und rief: »Hallo! Wo kommt das denn her? Wenn das kein Rose-Berthe ist, dann will ich nichts von Kleidern verstehen.« Viola meinte, mit diebischer Freude auf- und abspringend, es sei tatsächlich ein Rose-Berthe, auf mehreren Schlussverkäufen heruntergesetzt, bis ihre Freundin Shirley es schließlich einer Bekannten, die eine Boutique besaß, abgekauft und dann ihr, Viola, weiterverkauft hatte, für – »na ja, ich bin jetzt zwar pleite, aber egal!« Und damit war sie davongehüpft, hinein ins Ballgetümmel, ein blassblauer Engel mit silbernem Haar … doch wie sich herausstellte, erwartete sie dort nichts Romantisches.
    Nur die Dorfjugend, Burschen mit roten Pranken, die ungeschickte Witze machten, oder Doktor Parsham, sechzig und untersetzt, der behauptete, eine so hübsche junge Dame müsse ihm unbedingt einen Tanz reservieren, oder der einzige Sohn des Apothekers, dessen Familie die Apotheke am Marktplatz schon seit zweihundert Jahren betrieb und der den Hospiz-Ball verachtete und jede Menge über die Elendsviertel von Glasgow zu erzählen hatte; schließlich noch ein pickeliger junger Makler, dessen Vater Violas Vater gekannt hatte – lauter Leute dieser Art eben.
    Den Withers gefiel es gar nicht, dass Viola mit dieser Sorte tanzte, aber der Strom der Interessenten wollte einfach nicht abreißen, jeder wollte mit ihr tanzen, und die Musik war so schmissig, das Parkett so hervorragend, dass sie es nicht übers Herz brachte, die meisten Tänze auszusitzen, so wie Tina und Madge. Und da die Withers so wenige junge Männer kannten, konnten sie Viola kaum Vorwürfe machen, wenn sie sich selbst Partner suchte.
    Es gab zwar ein paar junge Adelssöhne, aber die waren, wie Victor, mit Anhang gekommen und mussten sich um die Mädchen aus ihrer Gruppe kümmern. Es war Jahre her, seit sich einige junge Männer aus der Gegend zu den Withers verirrt hatten, um Tina zu umwerben. Jetzt gab es keinen Grund mehr für die Withers, junge Männer zu kennen, also kannten sie auch keine. Viola war Witwe; und eine Witwe sollte nicht den Wunsch haben, junge Männer zu kennen. Dachten Mr und Mrs Wither. Obwohl man kaum glauben konnte, dass Viola Witwe war, wenn man sah, wie sie sich aufführte.
    Violas freudige Erregung fiel also langsam in sich zusammen. Traurig ließ sie sich von dem pickeligen Makler herumschwenken. Mr Spring (in ihrer Niedergeschlagenheit dachte sie nun an ihn als Mr Spring) war nicht gekommen. Sie überragte die meisten anderen Frauen und hatte daher einen guten Überblick, während sie von einer Ecke des Saals zur anderen schaukelte, vorbei an den gläsernen Schwingtüren, die ins Vestibül führten: nirgends ein hellbrauner Haarschopf wie der eines jungen Soldaten, keine breiten Schultern im Smoking.
    Niedergeschlagen schaute sie zum benachbarten Buffetsaal. Nein, auch dort war er nicht.
    »Kopf hoch«, sagte eine Männerstimme. Und da war Mr Knoedler höchstpersönlich und schaute unverwandt zu ihr auf, während er in ein Instrument blies, das einem der Boys gehörte. »Ist wohl nicht gekommen, was?«
    Viola errötete und lachte.
    »’ne Schande, ’ne richtige Schande«, murmelte er, blies nochmals probehalber in die Tröte und gab sie dann einem der Boys zurück. Anschließend betrat er wieder seinen kleinen Dirigentensockel und setzte einen albernen Hut auf. Der pickelige Makler schwenkte Viola davon.
    Dieser Vorfall wurde von Mr Wither beobachtet, der sich immer noch in einem kleinen Eckchen drehte, diesmal allerdings mit Mrs Colonel Phillips. Der Band zulächeln. Was für ein schlechtes Benehmen; aber die waren ja alle von derselben Sorte. Verkäuferin. Eine schlechte Erziehung lässt sich eben nicht verbergen. Rundherum und rundherum tanzte Mr Wither, nicht unvergnügt. Flotter Rhythmus. Tum-ti-tum, tum-ti-tum-tum.
    Doch auf einmal – da war er! Hellbrauner Haarschopf, breite Schultern, haselnussbraune Augen, dieser flinke, alles umfassende Blick, so betrat er den Tanzboden, am Arm – o nein! – das wunderschöne Mädchen aus dem Auto. Violas Herz sank wieder. Natürlich. Sie hätte wissen müssen, dass er in Begleitung kommen und die meisten Tänze mit seiner Begleiterin tanzen würde. War Miss Franklin auch da? Sie war Violas einzige Hoffnung. Wenn sie herkam und mit Viola redete, dann konnten sich beide Parteien miteinander bekannt machen.

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