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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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aber dann überlegte ich es mir zum Glück anders.
    »Ja, es war toll.«
    »Was gab es denn zu essen?«
    Ich erzählte ihm von Mrs Munroes leckerem Essen, das es reichlich gegeben hatte. Er fragte nach Mr Munroes Beruf, und auch das erzählte ich ihm, außerdem ein paar von den Eisenbahnanekdoten, die Jennifers Dad zum Besten gegeben hatte.
    »Scheinen ja nette Leute zu sein.«
    »Sind sie auch.«
    »Da muss man sich ja wundern, wie sie so ein Biest von einer Tochter großgezogen haben.«
    »Denise mag dich auch nicht sonderlich.«
    »Was hab ich ihr denn getan?«
    Die Ankunft des Essens ersparte mir die Antwort auf seine Frage.
    Dad, bis zum Frühstück noch putzmunter, hatte nicht mehr die Energie, es zu bleiben. Die Straße begann, ihm zuzusetzen. Der morgendliche Berufsverkehr in Salt Lake war schon ziemlich verebbt, als wir in die Stadt kamen. Aber selbst der leichte Andrang auf dem Freeway irritierte ihn, und er riss die Achtspurkassette mit einem »Hau weg den Scheiß!« heraus. Als wir uns durch die Innenstadt von Salt Lake schoben, befahl Dad mir, den Mund zu halten, damit er sich aufs Fahren konzentrieren könne. Die Städte dahinter – Layton, Clinton, Ogden, Brigham City – kamen in Sicht und verschwanden wieder, und Dad versank förmlich in seinem Sitz, sein Blick wurde starrer mit jedem gefahrenen Kilometer. Wir hatten knapp vierhundert achtzig zurückgelegt. Noch achthundert lagen vor uns.
    Es wurde ein Ausdauertest, seine Geduld gegen mein unbekümmertes Geplapper, und das wiederum gegen den Asphalt.
    Ich unterbrach das Schweigen immer wieder mit vergeblichen Anläufen, ein Gespräch in Gang zu bringen.
    Als Dad einen anerkennenden Pfiff beim Anblick eines vorbeifahrenden Peterbilts ausstieß, der Vieh transportierte, fragte ich: »Ist das ein guter Lastwagen?«
    »Peterbilt macht gute Arbeit, ja.«
    »Warum hast du dann einen International gekauft?«
    »War ein gutes Geschäft.«
    »Hättest du lieber einen Peterbilt?«
    »Nein.«
    »Und was ist mit Kenworth, ist das ein guter Truck?«
    »Mitch, halt die Klappe, okay?«
    Und später:
    »Dad?«
    »Ja?«
    »Hast du Baseball gespielt, als du klein warst?«
    »Ein bisschen.«
    »Meine Mannschaft war gut. Ob die wohl ihr letztes Spiel gewonnen hat?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Wie hieß denn dein Team?«
    »Hab ich vergessen.«
    »Als was hast du gespielt?«
    »Was soll das eigentlich werden, Mitch?«
    Und dann schließlich:
    »Ich fahr mit meinem Motorrad, wenn wir da sind.«
    »Dann ist es zu spät. Du kannst morgen damit fahren.«
    »Das habe ich auch gemeint.«
    Ich wartete ein paar Takte, dann sagte ich: »Dad?«
    »Ja.«
    »Kann ich diesen Sommer ein neues Motorrad haben?«
    Er sah mich an. »Was hast du denn an dem jetzigen auszusetzen?«
    »Ich bin viel größer als vor zwei Jahren.«
    »Ich weiß nicht recht.«
    »Bitte?«
    »Quengel nicht.«
    »Okay, aber denkst du mal drüber nach?«
    »Vielleicht.«
    »Ich ...«
    »Hör endlich auf damit. Herrje! Hältst du denn nie den Schnabel?«In Pocatello tankten wir wieder. Dad drückte mir einen Fünfer in die Hand und gab mir genaue Anweisungen.
    »Kauf dir ein Heft oder ein Buch, irgendwas, um dir die Zeit zu vertreiben. Du musst aufhören, mich vollzulabern.«
    »Ja, okay.«
    Ich schlich in den Laden, während Dad tankte. Eigentlich hätte ich mich über das Geld freuen sollen – fünf Dollar waren ein ganz schöner Batzen für ein Kind meines Alters –, aber das konnte ich nicht. Ich verstand nicht, warum er sich besser fühlte, wenn er mich so kränkte.
    Beladen mit Comicheften kehrte ich zurück – Archie und Jughead, Richie Rich, Donald Duck und was ich sonst noch in die Finger bekam. Die Comics, besonders die Rückseiten, hatten Hunderte von Tipps, wie ein Junge wie ich sein Geld verpulvern konnte. Urzeitkrebse, Sammelalben, Röntgenbrillen, alles, was das Herz begehrt. Ich hatte nichts mehr zu verprassen, denn ich hatte das ganze Geld von Dad für Hefte ausgegeben (und dachte an Jerrys Ermahnung, dass ich die sechzig Dollar von ihm nicht leichtsinnig für irgendwelchen Tinnef verpulvern dürfe). Ich vertiefte mich in die Hefte, als wir unsere schier endlose Fahrt gen Norden fortsetzten, und auf offener Straße entspannte sich Dad endlich wieder und schob einen Willie Nelson in den Rekorder. Blackfoot und Idaho Falls und Rexburg winkten, und danach würden wir West Yellow stone sehen, bei Weitem der schönste Teil unserer Fahrt. Schon bald würden wir auf dem letzten Abschnitt zur

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