Der Sommersohn: Roman
den Schultern. Ich versteifte mich unter ihrer Berührung, aber ich wehrte mich nicht dagegen.
»Es ist aus«, sagte sie. »Du hättest das nicht mit ansehen sollen.«
»Du hättest das nicht tun sollen.«
»Du hast recht. Ende. Schluss. Aus.«
Langsam gewann ich Kontrolle über meine Tränen und mein Geschniefe. Ich wischte mir die Nase mit dem Handrücken ab.
»Ich will doch nur, dass sich alle vertragen.«
Dad sagte leise: »Okay, Sportsfreund. Wir arbeiten dran.«
Nachdem wir dann doch ein paar Minuten friedvoll miteinanderumgegangen waren, riet mir Dad, ins Bett zu gehen, dann könnte ich auch früh raus.
»Morgen gibts keine Arbeit für dich«, sagte er. »Du kannst den ganzen Tag Motorrad fahren.«
Ich stapfte durch die Diele. Ich wollte weinen, fand aber nicht die nötige Energie. Dad und Marie konnten immer wieder neue Konflikte heraufbeschwören, aber ich konnte konnte einfach nicht mehr. Ich hatte genug.
Ich streifte mir die Schuhe ab und stellte sie neben den Schrank. Dann zog ich mir die Socken und das T-Shirt aus und strampelte mich aus der Hose. Wenige Minuten nachdem mein Kopf auf das Kissen gesunken war und meine Augen gerade schwer wurden, hörte ich Dad und Marie wieder das Feuer eröffnen, dieses Mal im Schlafzimmer gegenüber.
Sie sprachen jetzt leiser, wohl um mich nicht aufzuwecken. Diese Rücksichtnahme hätten sie sich sparen können. Ich lag im Dunkeln mit offenen Augen und bekam jede Silbe mit.
»Ich hasse es hier«, sagte sie. »Ich hasse es, mit dir da draußen zu sein. Ich hab was Besseres verdient.«
»So ist die Abmachung«, sagte Dad. »Du hast es gewusst, als du mich geheiratet hast.«
»Ich wusste nicht, dass es so sein würde.«
»Dann sind wir schon zwei.«
»Wie meinst du das?«
»Ich kann nicht mehr. Du nimmst uns aus wie eine Weihnachtsgans und poussierst in der Gegend herum. Ich komme nach Hause und finde dich in Billings ...«
»Ich hatte nur ein bisschen Spaß.«
»Ja, so sah das auch aus mit dir und diesem Kerl.«
»Er ist nur ein Freund. Nicht dass du so was verstehst ...«
»Freundlich war er, so viel stand fest. Er kann aber auch mit gebrochener Nase freundlich sein.«
»O ja, Jim, du großer, starker Mann. Du verstehst es nicht, also musst du es kaputt machen.«
»Du Schlampe.«
»Ich hab nichts gemacht, was du nicht zuerst gemacht hast.«
»Verlogene Schlampe.«
Ich drehte mich herum, wickelte mir das Kissen um die Ohren und betete still, dass es bald enden würde. Höchstwahrscheinlich, dachte ich, als ich so im Dunkeln lag, hatte Jerry die einzig vernünftige Entscheidung getroffen.
Er war entkommen.
BILLINGS | 21. SEPTEMBER 2007
Stunden nach dem Sturm kam der Morgen und brachte eine Atmosphäre von unbehaglicher Rücksichtnahme in die Art, wie Dad und ich miteinander umgingen, eine, die nicht existiert hatte, bevor wir uns in Split Rail im Dreck gewälzt hatten.
Ich hatte genügend Gewalt in meinem Leben mit angesehen, um zu wissen, dass selten etwas Gutes dabei herauskommt, aber in unserem Fall bewirkte die Rauferei einen tiefen Einschnitt in das, was uns trennte. Dad wusste, ich würde erst wegfahren, wenn ich wusste, wie wir zueinander standen. Vielleicht zum ersten Mal, dass ich das auch wusste.
Ich wachte so auf wie in all den Jahren zuvor: Dad rüttelte mich aus dem Schlaf.
»Mitch, lass uns ein paar Donuts holen«, sagte er.
Ich blinzelte, um den Schlaf zu verscheuchen, und dort stand er und hatte ein schiefes Grinsen im Gesicht.
Wir fuhren in meinem Mietwagen, und Dad fummelte wieder an meinem Radio herum. Im Lebensmittelladen hielt ich den Behälter auf, während Dad sechs Donuts herausholte. Am Kaffeeausschank füllte er zwei Tassen, und unaufgefordert fügte er für mich Sahne und Zucker hinzu. Er sah auf und lächelte mich an.
Es war, als ob wir normale Menschen wären oder so was.
»Was hast du heute vor, Pop?«, fragte ich zwischen zwei Bissen vom gefüllten Donut.
»Was erledigen.«
»Ja? Brauchst du Gesellschaft?«
»Nö.« Er sah mich an. »Ich könnte deine Hilfe hier gut gebrauchen. Kannst du mit einem Rasenmäher umgehen?«
Ich warf ihm einen forschenden Blick zu. Er zwinkerte.
»Ich bin ziemlich sicher, dass ich das hinkriege.«
»Im Schuppen stehen ein Rasenmäher und eine Harke. Kannst du den Vorgarten auf Vordermann bringen?«
Sein Rasenstück war so lang wie das Womo und etwa drei Meter breit. Es würde nicht viel Mühe machen.
»Bezahlst du Überstunden?«, fragte ich, und Dad lachte.
Kurz vor
Weitere Kostenlose Bücher