Der Sonntagsmann
meinten Sie das doch?«
»Nein«, sagte er. »Nicht ihretwegen. Aber ich hatte keine Wahl. Ich musste gestehen.«
»Das müssen Sie uns erklären.«
Der Anwalt beugte sich vor. »Darf ich mich einmischen?«, fragte er. »Mein Mandant und ich haben eingesehen, dass er nach einem positiven DNA-Befund verurteilt werden könnte.«
»Das sagten Sie bereits am Telefon. Das ist natürlich eine realistische Einschätzung.«
»Es wäre also keine gute Idee gewesen, zu schweigen oder zu leugnen.«
»Nein. Natürlich nicht! Das ist es nie.«
»Deswegen gesteht er jetzt.«
»Gut, gut.« Elina versuchte zu begreifen, was er eigentlich meinte.
Bjerre wandte sich ihr zu. Er hatte vorher mit dem Gesicht zum Fenster gesprochen. Jetzt sah er ihr direkt in die Augen.
»Ich habe das Mädchen am 29. September bei Reidar und Berit Solbakken zurückgelassen.«
Elina starrte ihn an. Sie öffnete den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Mein Mandant«, sagte der Anwalt, »brachte das Mädchen in der Nacht zum 29. September zu den Solbakkens. Er hatte sie am Tag zuvor mit zu sich genommen. Leider nachdem er Ylva getötet hatte. Leider. Das ist äußerst tragisch. Aber der Mord wurde nicht zu dem von Ihnen vermuteten Zeitpunkt verübt, sondern drei Tage früher.«
Einen Augenblick wurde es im Zimmer vollkommen still. Die Zeit war stehen geblieben. Bjerre brach das Schweigen.
»Ich würde jetzt gerne nach Hause fahren«, sagte er.
Elina wandte sich an Didriksen. Ihr Blick flehte um Hilfe. Aber der Anwalt fuhr unerbittlich fort: »Bjerre wurde am 30. September in Untersuchungshaft genommen. Das war zwei Tage zu spät. Der Mord verjährte am 28. September.«
Es dauerte genau eine Sekunde, bis Elina begriff, was genau das bedeutete.
»Das ist nicht wahr! Er versucht es mit einem Bluff!« Sie begann am ganzen Körper zu zittern. »Es gibt Zeugen! Es steht fest, dass der Mord frühestens am 1. Oktober begangen wurde. Es ist sinnlos, behaupten zu wollen, er sei früher verübt worden.«
»Ich verstehe Ihre Sicht der Dinge«, sagte der Anwalt ruhig. »Aber es besteht kein Zweifel. Es gibt Unterlagen darüber, wann er das Mädchen auf der Treppe der Solbakkens deponierte, und zwar die Ermittlungsakte der Polizei über das Findelkind.«
Er nahm einen Stapel Papier aus seiner Aktentasche und legte ihn vor Elina hin. »Ich habe diese Unterlagen gestern bekommen«, sagte er. »Sehen Sie selbst.«
Elina schaute auf das oberste Blatt. Ihr Blick blieb an einem Datum hängen. Didriksen, der neben ihr saß und den Text nicht lesen konnte, lehnte sich vor. »Wenn Bjerre die Tat bestritten hätte, hätte er wahrscheinlich verurteilt werden können«, sagte er mit vollkommen ausdrucksloser Miene. »Da er jedoch gesteht, können wir ihn nicht belangen.«
»Ja«, sagte der Anwalt. »Das ist wirklich ein Dilemma. Einen Mord zu gestehen, ist nicht leicht. Aber mein Mandant hatte keine Wahl. Seine einzige Chance besteht darin, zu beweisen, dass der Mord am 28. September begangen wurde. Das konnte er nur, indem er gestand, das Mädchen an sich genommen zu haben. Und das ist praktisch das gleiche, wie den Mord zu gestehen.«
Elina drückte fest auf die Stopptaste des Tonbandes und erhob sich. Ihre Zunge klebte am Gaumen. »Es gibt Zeugen«, sagte sie schließlich. »Ich kann das, was Sie sagen, nicht ohne weiteres akzeptieren. Er könnte das Kind erst mitgenommen und sie danach getötet haben.«
»Das ist recht unwahrscheinlich«, meinte der Anwalt. »Und was ist eine Zeugenaussage schon wert gegen die Akten der Polizei?«
Elina raffte ihre Papiere zusammen und verließ das Zimmer. Didriksen folgte ihr. Bjerre setzte sich wieder auf seinen Stuhl und wartete.
Eine große Müdigkeit hatte Elina befallen, aber sie riss sich zusammen. »Ich muss telefonieren«, sagte sie.
Boel Haraldson schwieg erst lange. Dann forderte sie Elina auf, den Zeugen ausfindig zu machen, der Ylva Malmberg am 1. Oktober 1979 noch gesehen haben wollte.
Elina bekam Henrik Svalberg an den Apparat und wies ihn an, die Vernehmung des alten Samen herauszusuchen.
»Er war doch damals schon dreiundsiebzig«, meinte Svalberg, als er das Vernehmungsprotokoll gefunden hatte.
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Elina irritiert. Mach ihn ausfindig, er lebt vielleicht noch. Svalberg legte den Hörer beiseite. Elina hörte, wie er etwas in den Computer tippte.
»Da haben wir ihn. Geboren 1906, er ist aber immer noch im System. Warte, ich rufe eben die Auskunft an.«
Einige
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