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Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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gekommen, Ezra?«
    »Zwei haben mich gepackt. Ich glaube, ich hab noch einen im Wohnzimmer gehört, bin mir aber nicht sicher.«
    »Ich habe nur einen Mann gesehen«, sagte Geiger.
    »Und er hat Ihnen einfach so erlaubt, mich mitzunehmen?«
    »Nein. Ich habe ihn niedergeschlagen.«
    Der Junge machte große Augen. Kindliche Ehrfurcht spiegelte sich darin. »Echt? Womit denn?«
    »Mit der Faust.«
    Geiger fand das Gespräch anstrengend. Er musste sich auf unterschiedlichen Ebenen mit vielen neuen Dingen befassen – mit der Anwesenheit des Jungen, seiner Stimme und seinen Fragen, dem Zuhören und Antworten –, und zugleich beschäftigte er sich mit der Frage nach seinem nächsten Schritt.
    »Einer war ein großer Schwarzer«, sagte Ezra. »Er sagte, er bringt mich um, wenn ich schreie.«
    »Er hat versucht, dir Angst zu machen.«
    In Ezras Stimme lag Zorn. Er kräuselte die Lippen. »Ich hoffe, dass er es war, den Sie zusammengeschlagen haben. Ich hoffe, Sie haben ihm die Scheiße aus dem Leib geprügelt.« Ezra drehte sich um und ging zur Couch, seinen neuen Freund in den Armen.
    In Geigers Kopf entrollte sich ein Gedanke wie das Banner »Neueröffnung« über einem Geschäft: Nichts ist mehr, wie es war. Alles hat sich verändert. Er fühlte sich in der Welt ausgesetzt und war sich zugleich etwas Verlorenem, Zurückgelassenem bewusst,wie ein Soldat, der ein amputiertes Bein noch immer als Phantom spürt.
    Ezra rief: »Ihr Handy hat gepiept!«
    Geiger ging zum Schreibtisch. Auf dem Display des Mobiltelefons stand: 1 Nachricht. Er nahm das Gerät und drückte eine Taste. Statt des üblichen H oder C las er 2124298668 . Die Ränder der kleinen Schriftzeichen verschwammen und jagten einen dumpfen Schmerz in die Rückseiten seiner Augäpfel. Einen Anruf von jemand anderes als Harry oder Carmine hatte Geiger noch nie erhalten; es war nicht einmal jemand falsch verbunden gewesen. Er beschloss, sich die Nachricht anzuhören. Es war Harry. Seine Stimme schnitt durch einen dumpf grollenden Hintergrundlärm.
    Während Geiger sich Harrys Nachricht anhörte, schloss er die Augen. Er sah einen Himmel, der sich mit Wolken bezog, und versuchte sich vorzustellen, wie Boreas, der Gott des Nordwindes, die Wangen blähte und einen Sturm blies, der die Wolken hinwegfegte. Aber nichts geschah.
    »Das ist echt cool«, sagte der Junge.
    Geiger öffnete die Augen. Ezra stand vor den maßgefertigten CD-Regalen und erkundete die Reihen des gewaltigen Musikarchivs. Er beugte sich vor. Ein bestimmter Titel schien sein besonderes Interesse zu erregen.
    »Das ist doch das Dumbarton Oaks , das Strawinsky selbst dirigiert hat, oder?«
    »Ja.«
    »Wie viele CDs haben Sie?«
    »Achtzehnhundertdreiundzwanzig.«
    »Mann, das ist echt ’ne Menge.«
    Mit dem Mobiltelefon in der Hand ging Geiger wieder zur Hintertür.
    »Ich bin gleich wieder da.«
    »Darf ich Musik anmachen?«, fragte Ezra.
    »Ja.«
    Draußen brannte die aufkommende Hitze des Tages die Wolken und die klebrige Feuchte weg, als Geiger ebenso unvermittelt wie unerwartet die ersten Takte von Weberns Fünf Sätze für Streichquartett hörte. Er erschrak. Es war, als würde er einem alten Freund an einem Ort begegnen, an dem er diesen Freund niemals vermutet hätte. Geiger blickte auf sein Handy und drückte die Rückruftaste. Harry nahm nach dem ersten Klingeln ab.
    »Hallo?«
    »Ich bin’s«, sagte Geiger.
    »Himmel! Gut, von dir zu hören.«
    Trotz des Lärms im Hintergrund vernahm Geiger den tiefen Seufzer Harrys.
    »Erzähl mir, was geschehen ist, Harry.«
    Die Bitte war wie ein Generalschlüssel, der sämtliche Schlösser in Harrys Innerem öffnete.
    »Ein absoluter Super-GAU, verdammt! Womit soll ich anfangen – mit den Kanonen und den Morddrohungen?« Während Harry erzählte, sprach er immer hastiger, als spritzte ihm jedes Wort eine winzige Menge Treibstoff ein, der ihm die Kraft gab, schneller als zuvor zum nächsten Wort zu kommen. »Menschen fliegen durch die Luft, verdammt. Und Blut, Mann, Blut, jede Menge Blut!«
    »Langsam, Harry. Tatsachen.«
    Geiger sah Harry vor sich, während er dessen vertraute Stimme hörte; er sah sein finsteres Gesicht, sein unruhiges Gebaren. Unvermittelt wurde ihm bewusst, dass Harry der einzige Mensch auf der Welt war, den er wirklich kannte.
    »Okay, Tatsachen«, sagte Harry. »Ich bin nach Hause gegangen und habe eine Dusche genommen, und wer saß in meinem Wohnzimmer? Hall! Er sagte mir, ich soll dich anrufen, und ich sagte nein. Er sagte, er

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