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Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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verlieren?
    Ezra knallte den Ordner zu, als würde er auf diese Weise ein Ungeheuer einschließen, ehe es seine Klaue aus dem Ordner strecken und ihn packen konnte. Von dem Knall erschreckt, fuhr der Kater hoch und sprang vom Tisch.
    Ezra sank in Geigers Schreibtischsessel zusammen. Den Rest seines Lebens würde er die Erinnerung an diesen Tag mit sich herumtragen. Mit der Zeit würde diese Erinnerung zu einer Art Quittung, die allmählich vergilbte und auf der aufgeführt war, was er in den letzten vierundzwanzig Stunden verloren hatte. Und ganz oben würde hingekritzelt die große Frage stehen, die Ezra jetzt laut aussprach:
    »Warum hast du mich verschont?«
    ***
     
    Die Amsterdam Avenue war ein Gewirr aus Geräuschen. Geiger fühlte sich verletzlich, beinahe wehrlos. Und er hatte nicht nur sein Erlebnis im Burger King zu verarbeiten, sondern auch den Besuch im Drugstore. In solch einem Geschäft war er ebenfalls noch nie gewesen, und die Konfrontation mit dem Trutzwall aus bonbonfarbenen Behältern voller Schmerz- und Schlafmittel hatte ihn fast gelähmt. Dort schien es Heilmittel für jede Art von Schmerz in Dosierungen für alle Arten von Menschen und Situationen zu geben. Zehn Minuten hatte er gebraucht, ehe er sich für eine kleine Flasche mit Ibuprofen-Tabletten entscheiden konnte.
    Geiger bog zu seinem Wohnblock ab. Vor ihm auf dem Gehsteig, die zerkratzte Krücke vor den Füßen, saß auf einem Klappstuhl der Mann, den in dieser Gegend jeder nur »Mr. Memz« nannte. Das Letzte auf Erden, was Mr. Memz mit seinem rechten Fuß berührt hatte, war eine Tretmine in einem vietnamesischen Dschungel gewesen, sodass er mit einem halben rechten Bein nach Hause gekommen war. Von den Passanten wurde sein Geisteszustand häufig infrage gestellt, aber seine Fähigkeit,lange Texte auswendig zu lernen, hatte ihn zu einer lokalen Berühmtheit gemacht.
    Um seine Kriegsversehrtenrente aufzubessern, saß Mr. Memz an seinem Vorposten und wettete mit den Vorbeigehenden, dass er aus einem der sechs Bücher, die er ausstellte, eine beliebige Seite wörtlich aufsagen könne. Wer sich darauf einließ, musste seine Wette platzieren, eines der Bücher nehmen, es auf einer beliebigen Seite aufschlagen und die ersten vier Wörter irgendeines Satzes laut vorlesen. Daraufhin begann Mr. Memz, die Seite zu zitieren – mit der Dramatik, dem Humor oder der Leidenschaft, die die gewählte Seite seiner Ansicht nach verlangte. Er beging nur sehr selten einen Fehler, und selbst dann ließen die meisten Wetter es ihm durchgehen.
    Wie immer trug Mr. Memz einen Tarnanzug. Als Geiger näher kam, drückte er gerade eine Zigarette aus.
    »Wie geht’s denn so, LT?«, fragte Mr. Memz. »LT« war der Spitzname, den er Geiger schon vor Jahren verpasst hatte. Die Buchstaben standen für »Labertasche«.
    »Ich habe heute keine Zeit«, sagte Geiger im Vorbeigehen.
    »Na so was!«, rief Mr. Memz grinsend. »›Ich habe heute keine Zeit.‹ Mensch – das sind volle fünf Wörter. Ich glaube nicht, dass Sie jemals drei Wörter auf einmal zu mir gesagt haben. Wenn Sie weiter so rumschwätzen, komm ich ja überhaupt nicht mehr zu Wort.«
    Geiger blieb stehen. Er hatte etwas auf dem Tisch gesehen; nun zog es ihn nach hinten, als hätte er eine Harpune im Rücken. Er kehrte zu Mr. Memz zurück.
    »Also, wie viel heute, LT?«
    »Zwei Dollar.«
    »Zwei Dollar? Glauben Sie, ich lebe von Twinkies? Machen Sie sich eine Vorstellung, was ein GI mit Beinstumpf jeden Monat von Vater Staat bekommt? Und hab ich Ihnen schon mal erklärt, was ›Nam Vet‹ bedeutet?«
    »Ja.«
    »Not a motherfucking vacation ever taken. Urlaub gab’s bei uns nicht!«
    »Okay, fünf Dollar.«
    »Na, das ist doch eine Zahl, mit der man sich glatt anfreunden könnte, LT.«
    Geiger stellte seine Burger-King- und Drugstore-Tüten ab und nahm eine abgegriffene Ausgabe von Jack Londons Der Seewolf in die Hand.
    »’ne gute Wahl, LT.« Mr. Memz streckte sich auf seinem Sessel nach hinten. »Kommen Sie, geben Sie mir eine zu rauchen.«
    Geiger zog eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche und schob eine heraus. Mr. Memz klemmte sie sich zwischen die Lippen. Geiger hob sein Wegwerffeuerzeug, doch Mr. Memz winkte ab.
    »Nix da, Mann. Ein bisschen Selbstachtung ist mir noch geblieben. Wenn du dich schon umbringst, dann tu’s mit Stil, okay?« Er nahm sein abgenutztes chromglänzendes Zippo vom Tisch. »Dieses Baby war schon in Nam bei mir. Damals hab ich es vierzigmal am Tag benutzt. Und jedes Mal

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