Der Spezialist: Thriller
sich Sorgen machte. Er war nicht nur angespannt, sondern stand kurz vor dem Überschnappen. Das war schlimm zu hören, aber gut zu wissen.
Nachdem Hall aufgelegt hatte, beobachtete Mitch weiterhin den Eingang des Diners, doch mit den Gedanken war er bei strategischen Überlegungen für den Fall, dass der Auftrag in die Hose ging. Vor einer Woche hatte sich alles noch kinderleicht angehört, aber davon konnte heute keine Rede mehr sein. Mitch fand zwar, dass sie noch immer den einen oder anderen Trumpf in der Hand hatten, aber er hielt es für sinnvoll, Vorkehrungen für den schlimmstmöglichen Fall zu treffen. Er nannte es eine »Fertigmachen-oder-fertiggemacht-werden-Situation«, und der Schlüssel bestand darin, dem Gegner – wer immer es sein mochte – ein paar Schritte vorauszubleiben. Im Idealfall gab Hall weiterhin den Ton an; der Mann war schlau, erfinderisch und gnadenlos. Und mit Ray, der durch eine Mauer marschiert wäre, damit er sie nicht umgehen musste, hatte Mitch stets gut zusammengearbeitet. Aber wenn bei diesem Auftrag alles in die Brüche ging und man hinterher die Leichen zählte, war es auch gut. Er wäre dann einer von denen, die das Zählen übernahmen.
13
Es war wie in einer fremden Welt, mehr Hölle als Himmel. Schreiende, einander beißende Farben kämpften gegen die verschiedensten Gerüche und einen sich ständig verändernden Wirrwarr von Geräuschen. Grelle Orange-, Rot- und Brauntöne, Stimmen, Musik und maschinelles Summen, der Geruch nach Öl und Zimt, Fisch und Fleisch, dies alles prallte aufeinander und verflocht sich.
Geiger stand gleich innerhalb der Tür, gebannt vom Ansturm der Empfindungen und Eindrücke. Noch nie hatte er einen Burger King oder ein anderes Fastfood-Restaurant betreten. Er war in Carmines Restaurant und in dem Diner gewesen, aber das hier war in jeder Hinsicht völlig anders.
Er ging ein paar Schritte näher an die Theke und die drei Warteschlangen. Als er auf die wandmontierten Speisekarten blickte, die dicht mit Wörtern und Zahlen bedruckt waren, kam es ihm vor, als versuchte er, eine Karte der Milchstraße zu entziffern.
»He, Mann. Stehen Sie an, oder was?« Von hinten streckte jemand den Kopf in Geigers Blickfeld – ein weißer Junge mit einem Durag und einem halben Dutzend billiger, mit schwerem Nippesschmuck behängter Ketten.
Geiger musterte ihn mit leerem Blick. Er fühlte sich in der Schwebe und seltsam blockiert, als wüsste er nicht einmal mehr, wie man atmet. Sein Gehör schien ebenfalls beeinträchtigt zu sein – er hatte Schwierigkeiten, die Quellen von Geräuschen zu identifizieren.
»Kommst du öfter auf unseren Planeten, Mann?«, fragte der Junge, während er sich an Geiger vorbei zur Theke drängte.
Geiger stellte sich in einer der Schlangen an und wiederholte immer wieder Ezras Bestellung im Kopf, während er wartete.
Schließlich war er an der Reihe. »Was möchten Sie?«, fragte die Frau hinter der Theke. Der Schirm ihrer Baseballmütze mit dem BK-Emblem zeigte am linken Rand einen daumengroßen Fleck, wo sie schon tausendmal mit fettigen Fingern daran gezupft hatte.
»Einen Burger mit Pommes frites und eine Cola.«
»Also wollen Sie ein Menü?«
»Ja. Ein Menü.« Geiger musterte das mürrische Gesicht der Frau. Warum sollte er, oder irgendjemand anders, sonst hier hereinkommen?
»Welches?«
»Einen Burger. Pommes frites. Cola.«
»Welches Menü, Mister?« Mit dem Daumen zeigte die Frau auf die beleuchtete Speisekarte hinter ihr. »Eins? Zwei? Drei? Welches?«
»Mir egal«, sagte Geiger.
»Dann sagen Sie was.«
»Menü eins.«
»Okay. Senf – Ketchup – Gurken – Zwiebeln?«
»Was?«
»Auf dem Burger. Senf – Ketchup – Gurken – Zwiebeln?«
Sie rezitierte die Frage, ohne nachzudenken, eine Litanei, die so automatisch ablief wie ein Blinzeln oder Atmen. Für Geiger jagte es groteske kleine Wellen über die Oberfläche aller Dinge. Senf – Ketchup – Gurken – Zwiebeln. Er bekam diese Wortfolge nicht mehr aus dem Kopf. Sie wurde zur Audioschleife, zu einem Möbiusband aus Wörtern, zu einem Nonsensreim für Kinder. Geiger wurde bewusst, dass er die Kiefer so fest zusammenpresste, als wäre sein Mund eine Bärenfalle.
»Was also, Mister?«
»Alles«, sagte Geiger. »Ich will alles.«
***
Ezra saß an Geigers Schreibtisch. Der Kater lag an seinem Lieblingsplatz gleich rechts von der Tastatur, den grauen seidigen Bauch entblößt. Er forderte den Jungen zum Weiterstreicheln
Weitere Kostenlose Bücher