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Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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gefesselten, misshandelten Jungen, der aus einem lippenlosen Mund Blut spuckte, Grund genug für Hall gewesen, es sich anders zu überlegen. Jetzt kam ihm der Gedanke, dass Geiger und er zumindest in einer Hinsicht etwas gemeinsam haben könnten – und dass diese Schwäche ihnen beiden am Ende das Genick brechen konnte.
    Hall wandte sich Ray zu, der sich gerade zwei Tabletten in die Hand schüttelte und sie dann an seinen Horrorfilmmund führte. Augenblicklich folgten ein Stöhnen und ein Verziehen des Gesichts. Rays Hirn befahl den Kiefern, sich zu öffnen, doch die Muskeln widersetzten sich protestierend, weil die Bewegung zu schmerzhaft war. Er starrte auf die Pillen und schaute dann Hall an. Wörter leckten aus seinem Mund wie Suppe, die zu heiß war zum Herunterschlucken.
    »Hilf – mir – mal.« Er zeigte mit der freien Hand auf seinen verstümmelten Mund.
    Hall fluchte und schüttelte den Kopf.
    Rays geschwollene, rot umrandete Augen verzogen sich zu Schlitzen. Er sah aus wie ein riesiger, wütender Waschbär.
    Hall nahm seinem Partner die beiden Schmerztabletten aus der Hand, packte Rays Kiefer und zwang sie auseinander. Ray ließ ein tiefes Grollen hören. Hall schob ihm die Pillen in den Mund und klappte die Kiefer wieder zusammen.
    Ray schloss die Augen und schluckte. »Danke«, brachte er hervor.

16
     
    Als der Schmerz zum ersten Mal kam, schaltete Geigers Verstand sich ab wie ein Motor bei Überlastung. Die Zeit blieb stehen. Das ganze Universum hörte zu existieren auf. Es gab nur noch das Nichts. Dann füllte sich die Leere mit einem Besuch aus der Vergangenheit. Es war weniger ein Akt der Erinnerung als vielmehr eine Begegnung in der Gegenwart. Sein Verstand war im Jetzt und im Gestern.
    Sein Vater führte ihn, in der Hand eine Kerze, zu einer Tür. Gestern hatte er den Bau des Raumes beendet. Er schwang die Tür auf: Der Raum, wenn man ihn so nennen konnte, war winzig und besaß eine Grundfläche von einem Meter zwanzig im Geviert.
    »Hier schläfst du von heute an«, sagte er zu dem Jungen.
    »Aber Vater, das ist so eng …«
    »Geh hinein und leg dich hin.«
    »Ich möchte nicht alleine sein, Vater.«
    »Du bist nicht allein. Du hast die Musik.« Sein Vater hob die Kerze in den Raum. Ein Kassettenrekorder und ein halbes Dutzend Kassetten lagen auf dem Boden.
    Der Junge trat in die Kammer.
    »Schlaf jetzt«, sagte sein Vater und schloss die Tür. Nun gab es nichts mehr außer der Schwärze und dem zittrigen Atem des Jungen.
    Blind tastete er um sich und nahm Kassettengerät und Bänder. Er legte sich auf die Seite und rollte sich zusammen. Die Fußsohlen stemmte er gegen die eine Wand, das Rückgrat unddie Schulterblätter gegen eine andere, den Hinterkopf gegen eine dritte.
    Dann wartete er ab, was als Nächstes kam.
    ***
     
    Als Geiger die Augen öffnete, blickte Ezra auf ihn hinunter.
    »Hallo«, sagte der Junge. Dann verschwand er aus Geigers Gesichtsfeld.
    Geiger setzte sich auf. Er hatte das Gefühl, Boden und Wände unterstützten seine Bewegung, als wären sie zwar fest, zugleich aber formbar. Er erhob sich und wartete, bis er das Gleichgewichtsgefühl wiedererlangt hatte; dann trat er aus dem Schrank. Geschlafen hatte er nicht, und sein unwillkürlicher Verlust des Bewusstseins und das Aussetzen der Körperbeherrschung waren eine neue und beunruhigende Erfahrung. Irgendetwas hatte die Regeln außer Kraft gesetzt, denen seine Migräne normalerweise folgte. Bislang war der Auslöser immer der Traum gewesen, doch diesmal hatten die Schmerzen ganz von allein eingesetzt. Geiger war sich bewusst, dass er von nun an jeden Moment von innen angegriffen werden konnte und dann zur Hilflosigkeit verurteilt wäre.
    Er folgte dem kurzen Gang zum Wohnzimmer, die Hände in der Zwei- und Zehnuhrposition, wie jemand, der sich durch die Dunkelheit tastet. Zum Schreibtisch hin machte er einen Umweg, bewegte sich langsam und vorsichtig. Ezra saß auf der Couch, die Arme fest um die gebeugten Knie gelegt, die er an die Brust gezogen hatte.
    »Warum tun Sie das?«, fragte er.
    »Ich bringe Menschen dazu, die Wahrheit zu sagen. Ich rufe Informationen ab.«
    Geiger schüttelte eine Zigarette aus der Schachtel, drehte sich dem Jungen zu und sah die Violine, die neben ihm lag.
    »Hast du gespielt, während ich im Schrank gelegen habe?«
    Ezra nickte. »Ich hatte Angst, Sie könnten sterben.« Er seufzte. »Danke für das Essen. Und die Tabletten.« Ezra war erleichtert, dass Geiger bei Bewusstsein war, doch

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