Der Spezialist: Thriller
spannten sich deutlich, doch er gab keinen Laut von sich und zeigte keine weitere Reaktion.
Hall nahm Geigers Kopf zwischen die Hände. »Wollen Sie sterben? Geht es Ihnen darum?« Er beugte sich vor und sprach Geiger direkt ins Gesicht. »Haben Sie schon mal jemanden verbluten sehen? Wissen Sie, wie das ist?«
Geiger zitterte unter dem Rumpeln des stampfenden Stahls, der brüllend auf ihn zuraste. Er war über ihm.
»Ich habe es gesehen, Mann, und so einen Tod gönnen Sie nicht mal einem tollwütigen Hund. Hören Sie mich?«
Doch Geiger hörte eine andere Stimme, die nach ihm rief. Und als seine Lider sich senkten, pflügte der Zug der Erinnerungen in ihn, zerschmetterte seine Sicht auf Hall und den Raum ringsum und offenbarte eine andere, lebhaftere Welt dahinter.
***
»Sohn! Komm her, Sohn!«
Der Junge kam aus der Hütte und eilte den Hügel hinauf. Es war dunkel, aber am Himmel stand ein guter Mond, und er fand ohne große Schwierigkeiten seinen Weg durch den Wald.
»Sohn! Wo bleibst du?«
Die Stimme seines Vaters klang heller als gewohnt und schien von den dichten Bäumen abzuprallen; trotzdem hatte der Junge ein Gefühl, aus welcher Richtung die Stimme kam.
»Ich bin gleich da, Vater!«
Irgendetwas veranlasste ihn zu rennen. Es hatte die ganze Woche geregnet, und seine Schuhe sanken bei jedem Schritt in den feuchten Boden ein.
»Der Wagen, Junge! Siehst du den Wagen?«
Der Junge rannte ein Stück weiter und erkannte zwanzig Meter entfernt die düstere Silhouette des Pick-ups. Bergab geneigt, sah der Wagen aus wie ein Stier mit gesenktem Kopf, kurz vor dem Losstürmen. Der Junge konnte sehen, dass die Ladefläche mit frisch gesägten meterlangen Holzbalken beladen war.
»Ja, ich sehe ihn!«
»Komm zum Wagen! Komm herum!«
Sein Vater lag auf dem Rücken, festklemmt unter dem Hinterrad auf der Fahrerseite, das auf seinen Oberschenkeln ruhte. Die obere Körperhälfte war im Mondlicht sichtbar, die Unterschenkel jedoch verdeckte das Rad des Pick-ups. Für den Jungen sah sein Vater wie ein mythologisches Wesen aus, wie ein Halbmensch, der die Götter erzürnt hatte.
»Ich kann mich nicht bewegen, Sohn. Der Wagen war festgefahren. Ich habe versucht, Holz unter die Reifen zu kriegen, als die Bremse versagte.« Er richtete sich mit einem Knurren aus der Hüfte auf und drückte gegen den Reifen, bekam die Beine aber nicht frei. Er legte sich zurück, und seine Brust hob und senkte sich heftig. »Komm, zieh mich raus.«
Der Junge trat hinter seinen Vater, ging in die Hocke und schlang ihm die Arme unter den Achseln hindurch um die Brust.
»Jetzt zieh, Sohn, bei drei – zieh fest! Eins, zwei, drei!«
Mit einem Brüllen stemmte sein Vater sich wieder gegen den Reifen, und der Junge zerrte. Doch er glitt auf dem Schlamm aus und stürzte zu Boden.
»Noch mal, Junge. Versuch es noch einmal.« Der Junge stand auf und legte wieder die Arme um den Vater. »Eins, zwei, drei!«
Sie zogen und drückten, aber das Ergebnis war das Gleiche. Der Vater sank in den Schoß des Jungen. Erschöpft schnauften sie gemeinsam. Der Nieselregen fiel ihnen auf die Gesichter.
»Was machen wir jetzt, Vater?«
»Such ein paar Steine und Äste und schieb sie unter die anderen drei Reifen. Dann versuch du den Wagen vorwärtszufahren. Weißt du noch, was ich dir beigebracht habe?«
Das Nieseln verstärkte sich, wurde zu Regen. Als der Junge sich an die Arbeit machte, roch er den herbstlichen Verfall in der Luft und spürte ihn unter den Blättern und Zweigen. Er stopfte, was er gesammelt hatte, unter die Räder und stieg in den Wagen. Er musste den Sitz tiefer stellen, damit er Gaspedal und Bremse mit den Füßen erreichen konnte. Im Seitenspiegel sah er seinen Vater.
»Ich bin so weit!«
»Dreh den Zündschlüssel, aber geh noch nicht ans Gas.«
Der Junge gehorchte, und der Motor erwachte hustend zum Leben.
»Stell den Schalthebel auf D und drück vorsichtig aufs Gas. Wenn du das Gefühl hast, die Räder drehen sich, dann drücke ein bisschen fester. Los, fang an!«
Der Junge drückte langsam das Gaspedal hinunter. Der Wagen begann zu zittern und zu beben. Er spürte, wie die Reifen sich drehten, aber der Wagen bewegte sich nicht vom Fleck. Ein leises Knurren löste sich aus der Kehle seines Vaters. DerJunge beobachtete ihn im Seitenspiegel. Er hatte die Fäuste in den Schlamm gegraben.
»Nicht aufhören!«, rief sein Vater.
Der Junge drückte fester, und die Reifen schleuderten Schlamm fort und bespritzten den
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