Der Spiegel aus Bilbao
erst verschwinden,
wenn sie eine Antwort auf ihre Frage erhalten hatte, also blieb Sarah wohl
nichts anderes übrig als die Flucht nach vorn.
»Wenn ich sehe, in welche
Aufregung ich euch alle versetzt habe, tut es mir fast leid, daß ich euch
nichts Spannendes mitteilen kann, aber Max und ich haben lediglich einen sehr
schönen Abend mit seiner Familie am anderen Ende der Stadt verbracht.«
»Mit seiner Familie? Etwa mit
diesem Rivkin, dem die Tankstelle gehört?«
Pussy klang so ungläubig und
spöttisch-verletzend wie möglich. Ihr Ehemann Biff ließ ein Schnauben hören,
das man sowohl als Lachen als auch als Ausdruck seiner Empörung interpretieren
konnte, was allerdings kaum einen Unterschied machte.
Bradley Rovedock, der sich bis
jetzt im Hintergrund gehalten hatte und zweifellos wünschte, er wäre nicht mit
in die Sache hineingezogen worden, trat vor.
»Freut mich für dich, Sarah,
daß du neue Freunde gefunden hast, doch ich bin egoistisch genug zu hoffen, daß
du darüber deine alten Freunde nicht vergißt. Ich habe mich heute abend nur an
diesem recht unverschämt späten Besuch beteiligt, weil ich dich fragen wollte,
ob ich dich für morgen zu einem Tagestörn mit der Perdita verführen kann. Mr.
Bittersohn ist natürlich ebenfalls eingeladen, wenn er Lust hat mitzukommen.
Appie kümmert sich um Miffy, hat sie mir erzählt, aber Lassie und Don
Larrington haben ebenfalls zugesagt. Ich dachte, wir könnten gut nach Little
Nibble segeln und kurz bei den Ganlors vorbeischauen.«
»Vielen Dank für die
Einladung«, sagte Max, »aber ich habe morgen anderswo zu tun. Warum fährst du
nicht mit, Sarah? Ein wenig Abwechslung tut dir bestimmt gut.«
Wenn sie den Eindruck gehabt
hätte, daß Max sich nur taktvoll zurückhalten wollte, hätte Sarah auf der
Stelle abgelehnt, doch er hatte ihr auf der Fahrt zu Miriam mitgeteilt, daß er
wegen eines Tizians, der im Wilkins-Museum gestohlen worden war, bereits am
Morgen nach New York fliegen wollte. Er wußte noch nicht, wann er zurück sein
würde, also sprach nichts dagegen, Bradleys Einladung anzunehmen. Das war das
wenigste, was sie für ihn tun konnte, nachdem er sich soviel Mühe gemacht
hatte.
Außerdem waren die Tagestörns
nach Little Nibble für Sarah immer ganz besonders schöne Sommererlebnisse
gewesen. Sie verehrte die Ganlors, die auch jetzt noch das Banner des
Transzendentalismus hochhielten, gut ein Jahrhundert, nachdem die
Fruitlands-Kolonie es aufgegeben hatte. Sie genoß sogar, wenn sie aus der
Essay-Sammlung von Bronson Alcott zitierten, als ob sie tatsächlich verstehen
konnten, was er gemeint hatte. Dabei kreisten Sarahs Gedanken allerdings meist
mehr um die Originale der Familie March, die Louisa May Alcott in ihrem Buch Little
Women so treffend beschrieben hatte, und sie stellte sich Mutter Marmee und
ihre vier Töchter Meg, Jo, Beth und Amy vor, während sie den Schweinen den Trog
füllten und Kartoffeln ernteten, während Vater March seine tiefsinnigen
Erkenntnisse formulierte.
Sarah konnte sich genau ausmalen,
wie der Tag verlaufen würde, denn sie hatte schon viele dieser Ausflüge erlebt.
Bradleys Haushälterin würde einen riesigen Weidenkorb für sie packen, mit
kaltem Huhn, Salat, köstlichen kleinen Pasteten und eisgekühltem Weißwein für
das Mittagessen und heißen Getränken in Thermosflaschen für die Heimfahrt, wenn
die Sonne unterging und eine frische Brise aufkam.
Endlose Cocktailrunden waren
nicht zu erwarten. Auf Little Nibble gab es nur Kräutertee und Limonade, denn
die Ganlors hielten so unglaublich viel vom einfachen Leben und von hohen
Idealen, daß man es sich kaum vorstellen konnte, wenn man sie nicht persönlich
kannte.
»Danke für die Einladung,
Bradley«, sagte sie. »Ich komme gern mit. Wann soll es denn losgehen?«
Nachdem man sich auf neun Uhr
geeinigt hatte, verzog sich die ganze Gesellschaft, glücklicherweise in
Begleitung von Tante Appie und dem Familienalbum. Appie hatte vor, das Album am
nächsten Tag Miffy zu zeigen, um sie ein wenig von Alice B.s anstehender
Beerdigung abzulenken.
»Falls sie es überhaupt
schafft, den Rausch, den sie sich heute abend angetrunken hat, auszuschlafen«,
lästerte Biff Beaxitt.
»Ausgerechnet du mußt das
sagen«, fauchte ihn seine Frau an. »Gib mir lieber die Autoschlüssel. Du bist
ja selbst viel zu betrunken, um zu fahren.«
Als die Besucher fort waren,
sagte Max zu Sarah: »Wenn du nichts dagegen hast, würde ich mich gern ein wenig
im Haus umschauen. Ich
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