Der Spiegel aus Bilbao
zusammen
mit meinen eigenen Schlüsseln, also konnte ich aufschließen.«
»Sie sind offenbar immer auf
alles vorbereitet.«
»Ich bin es so gewöhnt. Mein
verstorbener Mann legte großen Wert darauf, weil wir hier so abgelegen leben.
Jedenfalls habe ich die Außentür nicht abgeschlossen, weil ich wußte, daß Max
bald kommen würde, aber ich bin sicher, daß ich oben die Tür abgeschlossen
habe, als ich in die Wohnung ging. Ich erinnere mich noch, daß ich deswegen
erleichtert war, als ich die Geräusche hörte.«
»Können Sie die Geräusche
beschreiben, Mrs. Kelling?«
»Irgendwie scharrend, könnte
man vielleicht sagen. Zuerst dachte ich, es sei ein Tier, doch dann erkannte
ich, daß es ein Mensch war, der versuchte, leise zu sein.«
»Sie haben nicht die Tür
geöffnet und gerufen, um rauszukriegen, wer es war?«
»Chief Wilson, es ist immerhin
gerade erst ein besonders scheußlicher Mord passiert, der offensichtlich verübt
wurde, weil Alice Beaxitt einen Einbrecher überrascht hat. Nein, ich habe die
Tür nicht geöffnet und auch nicht gerufen. Ich verhielt mich so still wie
möglich und hoffte, daß die Person da unten nicht auf die Idee kommen würde,
nach oben zu kommen.«
»Wie lange hat es etwa
gedauert?«
»Fünf bis zehn Minuten, nehme
ich an. Es kam mir allerdings vor wie eine Ewigkeit.«
»Wieso hat der Einbrecher das
Licht in der Wohnung nicht gesehen?«
»Weil gar keins gebrannt hat.
Ich hatte meine Taschenlampe an, als ich hineinging, wissen Sie. Ich weiß nicht
genau, warum ich das Licht nicht angeschaltet habe, ich habe es eben einfach
nicht getan. Und ich muß sagen, nach allem, was geschehen ist, bin ich
schrecklich froh darüber.«
»Sie hatten also schon eine
ganze Zeitlang dort oben allein gesessen, bis Sie dieses scharrende Geräusch,
wie Sie es nennen, gehört haben.«
»Nein, um ganz ehrlich zu sein,
ich hatte mich auf Max’ Bett gelegt und war wieder eingeschlafen.« Das genügte
als Erklärung, fand Sarah. »Ich nehme an, daß mich das Geräusch dann geweckt
hat.«
»Woher konnten Sie so sicher
sein, daß es nicht Bittersohn war, den Sie da kommen hörten?«
»Weil Max immer die Treppe
stürmt wie mein Großonkel Nathan damals den San Juan Hill. Seit Januar gehört
er zu den Mietern in meinem Haus in Boston, wie Ihnen vielleicht bekannt ist.
Ich weiß genau, was für einen Lärm er macht, wenn er im Haus ist. Es wäre
jedenfalls absurd zu glauben, daß er so lange Zeit nach dem Raubmord
hereingeschlichen käme, um diese Sachen hier zu verstecken, und dann wieder
fortgehen würde, um später noch einmal zurückzukommen. Er hatte außerdem keine
Ahnung, daß ich oben war.«
»Wir wissen nicht, ob der Lärm,
den Sie angeblich gehört haben, überhaupt etwas mit dem Beweismaterial, auf das
wir hier gestoßen sind, zu tun hat, Mrs. Kelling«, sagte Wilson.
»Das Bild hätte er doch ohne
weiteres nach New York mitnehmen können, um es dort zu verkaufen, und als er
keinen Käufer fand, brachte er es vielleicht wieder mit und legte es in das
Versteck«, meinte einer der anderen Männer. Die Theorie klang recht
einleuchtend.
Wilson nickte. »Um wieder auf
das Geräusch zurückzukommen, Mrs. Kelling, wie lange war es etwa zu hören?«
»Nicht sehr lange, es sei denn,
es hatte bereits angefangen, als ich noch schlief. Ich hörte es jedenfalls nur
kurze Zeit. Dann quietschte die Außentür und der Kies draußen in der Einfahrt
knirschte, als ob sich jemand entfernen würde. Wie ich schon erwähnt habe,
blieb ich noch eine Weile ganz still liegen. Mir kam der Gedanke, daß es
vielleicht einer der Söhne meines Cousins gewesen war, der ein neues Feuer
gelegt hatte, also riß ich mich zusammen und ging nach unten. Da war ich auch
noch, als Max hereinkam; und ich war dabei, nach Spuren von Rauch zu schnuppern
oder das Ticken einer Zeitbombe auszumachen, oder was mir sonst noch drohen
konnte.«
»Einer Zeitbombe? Ist das Ihr
Ernst?«
»Sie kennen eben die kleinen
Engelchen noch nicht. Denen ist wirklich alles zuzutrauen.«
»Sogar Mord?«
»Na ja, das würden sie
vielleicht doch nicht fertigbringen. Ich glaube jedenfalls nicht, daß sie etwas
von dem Mord an Alice B. wußten, bis sie hörten, wie ich ihrem Vater am
folgenden Morgen davon erzählte, denn da brüllten sie alle: ›Wir wollen die
Leiche sehen!‹«
»Auf der Beerdigung waren sie
aber nicht, oder?«
»Nein, Lionel hat mich gefragt,
ob er sie mitnehmen sollte oder nicht, und ich habe mit allen Mitteln versucht,
ihn
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